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Chick Corea und Bobby McFerrin.

© chickcorea.com

Chick Corea & Bobby McFerrin: Tasse, Tasten, Turbulenzen

Sänger Bobby McFerrin und Pianist Chick Corea schlendern in der Berliner Philharmonie durch Standards und Improvisationen.

Und plötzlich sind sie da. Streunern einfach so aufs Podium, als hätten sie sich mal eben am Potsdamer Platz umgeguckt und seien zufällig in die Philharmonie gestolpert. Schauen sich um, schäkern weiter miteinander. Die Technik ist überrumpelt, so schnell kann sie gar nicht das Licht dimmen. Bobby McFerrin und Chick Corea tun so, als ob der ausverkaufte Saal gar nicht da wäre. Hat’s schon angefangen? Wir sind mittendrin. Cool, entspannt, zurückgelehnt. Und die obligatorische Teetasse ist auch da, klar.

Alles wie gehabt: Corea am Yamaha-Flügel, McFerrin auf dem Stuhl dahinter, viel Body Percussion mit der rechten Hand, ein bisschen Beatboxing, in homöopathischen Dosen. Seine legendären Vokalkünste allerdings, bei denen er raketengleich von der Brust ins Falsett hochschnurrt, wird er an diesem Abend kaum zeigen. Stattdessen beweisen beide, dass sie immer noch Improvisationsmeister sind. „Teach Me Tonight“, „Take Five“, lauter Standards und ihre Variationen, Assoziationen. Trotzdem: der erste Teil hängt durch.

Als das Publikum mitmachen darf, steigt die Stimmung

Zwei reifere Herren, eingesponnen in ihren ganz persönlichen Intimitätscocoon. Der erst dann durchlässig wird, als es daran geht, das Publikum anzudocken. Zwei Mikros, wer will? So schnell kann man gar nicht gucken, da ist ein junger Schlaks schon da. Bisschen zu ehrgeizig, McFerrin wird’s rasch zu bunt: „When I point the finger, you sing!“ Dann kommt ein Mann aus Block A herangestürmt, Pianist. Mit Chick Corea kann er gut, auch wenn sich die beiden beim vierhändigen Spiel um die Tasten regelrecht streiten.

Corea teilt den Saal entlang imaginärer Linien, jede Seite darf einen Ton intonieren, im Terzabstand, das funktioniert prima. Dann McFerrin: Einen Schritt nach rechts, einen nach links, er bringt die Leute soweit, dass sie allein zu seinen Schritten singen – bis er die Beine spreizt, Verwirrung herrscht und sich alles in Gelächter, Wohlgefallen auflöst. Großes Entertainment, und doch wird man das Gefühl nicht los, dass mehr drin wäre, dass hier zwei Altmeister ihr Können veredelt haben, aber kaum neue Grenzen suchen.

Zum Schluss noch Selfies, eins in jede Richtung, dann fragt McFerrin: „Any questions?“ Aus Block H kommt die verbotene Frage: Ob er „Don’t Worry, Be Happy“ singen würde? McFerrin stutzt, setzt sich an den Flügel, verweigert aber die Bitte. Stattdessen ein Bach-Choral „Oh Haupt voll Blut und Wunden“. Dann die ersten Takte seines einst größten Erfolges, ein paar Sekunden nur. Bevor er den Klavierdeckel zurammt: „That’s it“.

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