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Kultur: Chinesen sind super

Martenstein will zum Abschluss politisch korrekt sein

Ich habe keine Angst vor der Vogelgrippe. Die Vogelgrippe ist wieder so ein Hype wie damals die Krankheit BSE. Ich persönlich habe sowieso nie tote Krähen zum Schmusen mit ins Bett genommen. Nur für die Vogel-Nekrophilen wird es jetzt richtig hart. Das haben sie davon. Darf man sich eigentlich abfällig über Leute äußern, die Sex mit toten Vögeln haben, oder gilt das in unserer Kultur als Diskriminierung?

Es sind diesmal auffällig viele Chinesen bei der Berlinale. Bei einem Empfang sagte jemand: „Wenn du über eine bestimmte Gruppe etwas Positives sagst, zum Beispiel, Chinesen können gut turnen, dann ist das okay. Wenn du etwas Negatives sagst, dann ist das Rassismus. Wo ist denn da die Logik?“ Daraufhin schwiegen wir eine Weile. Dann sagte ich, um das Eis zu brechen: „Chinesen sind doch super.“ Die anderen schüttelten ihre Köpfe und gingen weg. In einer Gruppe auf diesem Empfang wurde über den Penis von Jürgen Vogel diskutiert. Jürgen Vogel spielt einen Triebtäter. Er hat ganz viele eklige, brutale und deprimierende Sexszenen, den Penis sieht man dabei ganz genau. „Ich verstehe nicht, wie ein Schauspieler in einer solchen Situation eine Erektion bekommen kann“, sagte jemand. „Dass George Clooney 20 Kilo zunimmt und wieder abnimmt, kann ich nachvollziehen, Jürgen Vogel kann ich nicht nachvollziehen.“ „Das war doch ein Plastikpenis“, sagte jemand anderes. „In der einen Szene war er außerdem viel größer als in der anderen.“ „Nein“, sagte eine dritte Person, „das ist Schauspielkunst, das lernt man alles auf der Schauspielschule.“ Dann ging ich in einen Film über Korruption, Selbstmord und Niedertracht mit Isabelle Huppert, er war total langweilig, und ich wollte am Ende schnell raus, noch im Dunkeln, und draußen wollte ich ein Fisherman’s Friend lutschen, griff in die Tasche und hatte eine Packung chinesische Zigaretten in der Hand sowie ein Bild von einer Chinesin, das über und über mit chinesischen Schriftzeichen bedeckt war. Da dachte ich: „Du hast in den letzten Tagen zu viele Filme mit Wahnsinnigen gesehen, du hast dich angesteckt. Es ist wie Vogelgrippe.“ Plötzlich kam ein wütender Chinese auf mich zu und sagte, ich hätte seinen Mantel an. Wegen der Globalisierung sehen die Mäntel alle gleich aus.

Die Berlinale geht zu Ende, dies ist die letzte Kolumne. Nächste Woche schaue ich mir im Kino einen Film mit bunten Bildern, überschaubaren Problemen, schönen Menschen und einem Happy-End an. Oder ich leihe mir mal wieder „Titanic“ aus.

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