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Kultur: Chopin auf Messers Schneide

"Préludes" überschreibt Chopin sein Opus 28 - Einleitungen sind das, zu Geschichten, die dann doch nicht erzählt werden.Das ist nur spannend, wenn jedes mal wieder unbedingtes Mitteilenwollen die Rechtfertigung für einen neuen Anlauf bietet.

"Préludes" überschreibt Chopin sein Opus 28 - Einleitungen sind das, zu Geschichten, die dann doch nicht erzählt werden.Das ist nur spannend, wenn jedes mal wieder unbedingtes Mitteilenwollen die Rechtfertigung für einen neuen Anlauf bietet.Ewa Kupiec erreicht bei ihrem Klavierabend im Schauspielhaus diese erzromantische Balance zwischen Scheitern am Vollenden der Form und idealistischem Überschwang.Sie geht den Zyklus gemessen an, selbst das G-Dur-Prélude mit seiner schmetterlingshaft flatternden Bewegung in der linken Hand hat bei Kupiec einen nachdenklichen, jede Note wägenden Charakter.Mit extremen Rubati holt sie immer wieder tief Atem, reizt die Dehnbarkeit der Melodiestimmen bis ins letzte aus.Es ist ein Abend auf Messers Schneide: Man fürchtet, die folgenden Stücke könnten in willkürlicher Detailverliebtheit erstarren, doch Kupiec erreicht mit immer neuen subtil abschattierten Klangfarben eine Sogwirkung, die den zyklischen Charakter der Préludes erst recht hervortreten läßt: Da spitzt sich der Konflikt zwischen Glücksillusion und schwarzer Verneinung im Baß immer weiter zu, huschen die Melodien der Es-Dur und F-Dur-Préludes in neurotischer Zerbrechlichkeit dahin, als ob sie schon das unerbittlich herausgemeißelte Schlußurteil des d-moll-Stückes fürchteten.Das ist großes Klavierspiel voller poetischer Kraft und gestalterischer Phantasie - Tugenden, die auch den zweiten Teil des Abends durchziehen.Kupiec erzählt Janaceks Miniaturen mit kräftigen, leuchtenden Farbwerten, realisiert in den Szymanowski-Préludes eine skriabineske Klangsensualität und setzt die drei beschließenden Paderewski-Stücke als brillanten Kehraus.

JÖRG KÖNIGSDORF

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