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CITY Lights: Allein unter Millionen

Der Überfluss an Sinnsprüchen auf der Webseite des Black International Cinema (black-international-cinema.com) wirkt verwirrend.

Der Überfluss an Sinnsprüchen auf der Webseite des Black International Cinema (black-international-cinema.com) wirkt verwirrend. Doch inhaltlich möchte auch die Stadterleuchterin den Botschaften für Initiative und positiven Gemeinschaftssinn (von „I may not make it if I try, but I damn sure won’t if I don’t“ bis „Yes, I can“ von Sammy Davis Jr.) gerne zustimmen. Und nach dem Klick auf den „program schedule“ gelangt man dann auch wirklich zum Programmfahrplan des aktuellen Festivals, das unter dem Label Fountainhead Tanz Theatre Filme mit anderen Künsten zusammenbringt.

Dahinter verbirgt sich das aus dem amerikanischen Mittelwesten nach Berlin migrierte afroamerikanische Tanz-/Pädagogen-/Choreografen-Paar Donald Muldrow und Gayle McKinney Griffith. Seit 27 Jahren betreiben die beiden Tempelhofer mit einer Schar engagierter Mitstreiter neben einer Art Talkshow im Offenen Kanal diese dem Filmschaffen der afro-migrantischen Diaspora gewidmete Filmschau. Dabei sind sie – bei freiem Eintritt – bis heute der ursprünglichen nicht-kommerziellen nachbarschaftlichen Prägung treu geblieben. Ein Beispiel US-amerikanischen community spirits im tiefsten Preußen, das nach langer Odyssee seit vier Jahren im Schöneberger Rathaus einen Heimatort gefunden hat.

Im Programm ist am Samstag mit Audre Lorde - The Berlin Years auch das dokumentarische Porträt, das die Berliner Professorin, Feministin und Verlegerin Dagmar Schultz der 1992 an Krebs verstorbenen afroamerikanischen Autorin und lesbischen Aktivistin Audre Lorde widmete, die während ihres damaligen Berlin-Aufenthalts ein neues Selbstbewusstsein afro-deutscher Frauen mitbegründete. Fast ein Jahrzehnt war die verheiratete lesbische Mutter zu Gast im geteilten Berlin des Kalten Krieges.

Ein weniger schillerndes Migrationsschicksal erzählt der südkoreanische Spielfilm Musan il-gy/The Journals of Musan (am Freitag im Haus der Kulturen der Welt) anhand der immer wieder scheiternden Versuche eines nordkoreanischen Flüchtlings, in der südkoreanischen Hauptstadt ein einigermaßen anständiges Leben zu führen. Dabei kommen ihm die kompetitive Härte der boomenden Millionenstadt und seine persönliche aus Anpassung und Kollektivität gegründete Sozialisation in die Quere. Im semidokumentarischen Realismus der Inszenierung erinnert der Film an die neorealistischen Momentaufnahmen der europäischen Nachkriegsgeschichte. Park Jung-Bum, der hier zugleich als Drehbuchautor, Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller agiert, war auch Regieassistent bei Lee Changdongs Poetry, mit dem heute Abend im Haus der Kulturen der Welt die feine Reihe „Korean Cinema Today“ eröffnet.

Auch in aktuellen griechischen Filmen wie dem Drama Knifer (am Samstag) spielen – hier albanische und afghanische – Migranten und xenophobische Reflexe eine Rolle. Auffällig ist die latente Atmosphäre der Isolation bei vielen Filmen, die Birgit Kohler für ein Programm mit neuem griechischen Kino im Arsenal versammelt hat. Es ist ein sprödes, eigensinniges, gar nicht humorloses Kino, das drei Monate nach dem plötzlichen Unfalltod von Altmeister Theo Angelopoulos ästhetisch definitiv auf eigenen Beinen steht.

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