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CITY Lights: Arm, aber unabhängig

Den Mangel an Geldgebern nutzen unabhängige Filmemacher gern zum internen Ritterschlag. Andererseits: Wer ist überhaupt unabhängig?

Den Mangel an Geldgebern nutzen unabhängige Filmemacher gern zum internen Ritterschlag. Andererseits: Wer ist überhaupt unabhängig? Selbst der radikalste nichtkommerzielle Regisseur braucht Freunde, die ihn ohne Gage unterstützen. Das Festival Unknown Pleasures leuchtet, nunmehr zum fünften Mal im Babylon Mitte, die Welt der US-Independents aus. Einen schönen Debattenbeitrag bietet Celine Danhiers Doku Blank City über das Independent-Kino der späten Siebziger (heute und Sonntag). Wer hatte damals das Sagen, und wer sagt uns noch heute etwas? Oder wie steht es um Whit Stillman, der trotz relativ gefälliger Filme wie „Barcelona“ und „The Last Days of Disco“ seit 13 Jahren keinen Film hat realisieren können; am Freitag (weiterer Vorführtermin Dienstag) präsentiert er sein Comeback Damsels in Distress. Oder der Experte für dysfunktionale Familien, Todd Solondz („Happiness“)? In Dark Horse erzählt er von einem übergewichtigen Mittdreißiger, der einer schönen Neurotikerin einen Heiratsantrag macht und zu seiner Verblüffung nicht abblitzt (heute). Seine Eltern werden von Christopher Walken und Mia Farrow verkörpert. Ein Muss für Kubrick-Fans ist Rodney Aschers Room 237 (Freitag und Dienstag), der das Nachleben der StephenKing-Adaption „Shining“ analysiert. Der Historiker Geoffrey Cocks deutet sie als Film über den Holocaust, weil Kubricks Ehefrau Christiane als Kind in eine Wohnung gezogen war, deren jüdische Mieter deportiert worden waren – so wie auch Jack Nicholson mit den Geistern toter Vormieter zu kämpfen hat.

Den meisten Respekt unter unabhängigen Filmemachern verdienen diejenigen, die sich in einer Diktatur treu bleiben. Boris Barnet gehört zu ihnen. Während das sowjetische Kino von Stalins Bürokraten reglementiert wurde und der Terror sich gegen Künstler und Intellektuelle richtete, drehte Barnet mit zwei Männern und einer Frau – seiner Ehefrau Jelena Kuzmina – am Kaspischen Meer die poetische Komödie Am blauen, blauen Meer, die im April 1936 uraufgeführt wurde (Sonntag im Arsenal). Natürlich bekam er Ärger angesichts von so viel Lebensfreude und Individualismus, aber sein Werk hat das Regime überlebt.

Eine Provokation anderer Art unternahmen Franz Peter Wirth und sein Drehbuchautor Herbert Reinecker 1959: Im Spionagefilm Menschen im Netz (Freitag im Zeughauskino) wird die Heldin (Johanna von Koczian) ermordet, und ihr Witwer (Hansjörg Felmy) muss seine Unschuld beweisen. Wirth hat das Drama unterkühlt inszeniert, auch der Westen wirkt höchst ungemütlich. Die KGBAgenten haben die dankbareren Rollen. Eine Agentin (Olga von Togni) schlägt bei ihrer Verhaftung ein Geschäft vor: „Ich nehmen Rubel!“

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