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CITY Lights: Bismarck überm Bett

Leidenschaftliche Leser dieser Kolumne wissen: Gemeinhin finden sich in den end-dezemberlichen „City Lights“ die Tipps für den filmischen Jahresausklang. Doch diesmal ist in dieser Hinsicht gar nichts zu holen.

Leidenschaftliche Leser dieser Kolumne wissen: Gemeinhin finden sich in den end-dezemberlichen „City Lights“ die Tipps für den filmischen Jahresausklang. Doch diesmal ist in dieser Hinsicht gar nichts zu holen. Die früher ausschweifenden Silvesterprogramme vieler Kinos sind – den Recherchen der Stadterleuchterin zufolge – zu einem einzigen Restangebot zusammengeschmolzen: Der Tilsiter-Lichtspiele-Ableger „Zukunft“ am Ostkreuz lockt mit Party und Kurzfilmprogramm. Überall sonst bleibt die Leinwand spätestens nach dem regulären Abendprogramm dunkel. So finster die Silvesternacht!

Auch das Bundesplatz-Kino macht da keine Ausnahme. Silvester bleibt es geschlossen, doch dafür gibt es am Tag vor dem Jahreswechsel und an Neujahr jeweils nachmittags die schöne Gelegenheit, sich zwei Versionen eines Klassikers des deutschen Kinos anzusehen. Darin kommen Männer nur in Form eines Hans-Albers-Posters im Spind vor. Auch bei der Produktion der ersten Fassung von Mädchen in Uniform waren Frauen ungewöhnlich stark beteiligt. 1931 hatte der unter Regie von Leontine Sagan und künstlerischer Leitung von Carl Froelich inszenierte Film im Berliner Capitol Premiere und wurde zum weltweiten Publikumserfolg.

Vorlage war das Theaterstück „Ritter Nérestan“ (später auch: „Gestern und heute“) der 1888 geborenen Christa Winsloe. Die Bildhauerin und Autorin, deren Leben und Werk derzeit in einer Ausstellung des Schwulen Museums vorgestellt wird, hatte selber in Potsdam ein Mädcheninternat besucht. In ihrem Drama schildert sie die in Entsagung endende Liebesgeschichte zwischen der Schülerin Manuela von Meinhardis und einer Lehrerin, die sich durch fortschrittliche Erziehungsideale vom Rest des Personals absetzt.

Kritik an der zeitgenössischen autoritären Pädagogik war ein Hauptanliegen des Films, der damals – höchst ungewöhnlich – durch eine eigens gegründete Produktionsgesellschaft aller Mitwirkenden (samt Schauspielerinnen) realisiert wurde. Inszeniert ist die später zum lesbischen Kultfilm gewordene Produktion als Gegenwartsstück mit expressionistischen Anklängen (Sonntag im Bundesplatz-Kino). 1958 wurde Winsloes Vorlage noch einmal von Artur Brauners CCC in der Regie von Géza von Radványi realisiert, in Eastman Color und mit Romy Schneider und Lilli Palmer statt Hertha Thiele und Dorothea Wieck in den Hauptrollen (Dienstag).

Aus den gestreiften Kittelschürzen sind mausgraue, doch kleidsame Kostüme geworden, aus dem (Albers zugeschriebenen) „Sexappeal“ wurde „das gewisse Etwas“, und die Liebesgeschichte wurde durch eine Garnitur von Intrigen entschärft. Verstärkt dafür die ins Jahr 1910 zurückdatierte preußische Zucht und Ordnung – mit einem Bismarck-Zitat über den Schlafsaalbetten und Therese Giehse als kerniger Oberin, die unermüdlich die Erziehung künftiger Soldatenmütter propagiert. In den Endfünfzigern war so was politisch durchaus opportun.

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