zum Hauptinhalt

CITY Lights: Das Leben ist eine Schaustelle

Über einen Film der Chaplin-Reihe im Babylon Mitte gingen die Rezensenten gnädig hinweg: Die Gräfin von Hongkong (1967), sein letzter – und einziger in Farbe – gilt als unwürdiger Abschluss einer ruhmreichen Karriere. Doch so leicht kann man die schwerfüßige Komödie (heute, 19.

Über einen Film der Chaplin-Reihe im Babylon Mitte gingen die Rezensenten gnädig hinweg: Die Gräfin von Hongkong (1967), sein letzter – und einziger in Farbe – gilt als unwürdiger Abschluss einer ruhmreichen Karriere. Doch so leicht kann man die schwerfüßige Komödie (heute, 19.30 Uhr) nicht als Betriebsunfall darstellen. Das Drehbuch über eine russische Gräfin, die sich als blinder Passagier in der Schiffskabine eines US-Diplomaten versteckt, lag seit drei Jahrzehnten in Chaplins Schublade; niemand hat ihm den Stoff aufgedrängt. Leider suchte er sich seinen Hauptdarsteller nicht sorgfältig aus. Marlon Brando hasste es, Regieanweisungen anzunehmen; Chaplin wiederum glaubte, ihm jede Geste vorspielen zu müssen. Das Resultat dieser Fehlkombination war schlechte Laune am Set, fatal für eine Komödie. Andererseits garantiert die bloße Anwesenheit von Brando, dem 77-jährigen Chaplin (in einer Nebenrolle als Steward), Sophia Loren, Margaret Rutherford und der Hitchcock-Entdeckung Tippi Hedren einen hohen Unterhaltungswert. Man muss nur etwas Fantasie mitbringen und sich den Ablauf der Dreharbeiten ausmalen.

Im Gegensatz zu Chaplin hat Jean Renoir seinen Schauspielern sehr viel Freiheit gelassen. Überhaupt wirkt bei ihm nichts inszeniert. Seine Könnerschaft bleibt unsichtbar, deshalb gehört er zu den am wenigsten imitierten großen Filmemachern. Die goldene Karosse (1952) ist eine Liebeserklärung an das Theater und an das Leben, beides lässt sich nicht voneinander trennen (Sonntag im Arsenal). Anna Magnani verkörpert eine Wanderschauspielerin, die während einer Tournee in Peru von mehreren Männern umworben wird, darunter einem Vizekönig, der sie in seiner Karosse mitfahren lässt. Das scheinbar banale Geschehen ist angefüllt mit Lebensweisheiten und etwas Tragik.

Manchen Schauspielern scheint es dagegen gut zu tun, wenn man sie quält und ihnen keine Freiheiten lässt. Nachtblende (1975), worin sie sich dem durchgeknallten Exilpolen Andrzej Zulawski ausliefert, gehört zu den Höhepunkten in Romy Schneiders Karriere (Dienstag im Freiluftkino Mitte). Der Film thematisiert offen ihre Komplexe, ihre Unsicherheit als Schauspielerin, ihre Überforderung durch Bühnenklassiker. Um sie herum wird geschrien, vor allem von Klaus Kinski, und die Kamera zoomt und schwenkt wie verrückt. Hier ist die Welt keine Bühne mehr, sondern ein Irrenhaus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false