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CITY Lights: Die Kamera im Spülbecken

Für die Vertreter der Nouvelle Vague war die Abgrenzung vom Theater so selbstverständlich, dass sie nicht einmal als Programm formuliert werden musste. Beim britischen Gegenstück, Free Cinema oder British New Wave genannt, spielten Theaterleute eine zentrale Rolle.

Für die Vertreter der Nouvelle Vague war die Abgrenzung vom Theater so selbstverständlich, dass sie nicht einmal als Programm formuliert werden musste. Beim britischen Gegenstück, Free Cinema oder British New Wave genannt, spielten Theaterleute eine zentrale Rolle. Dramatiker wie John Osborne und Harold Pinter lieferten Vorlagen und schrieben Drehbücher. Das bevorzugte Genre war das „kitchen sink drama“, so genannt, weil die Protagonisten in ärmlichen Verhältnissen selbst putzen und abwaschen mussten. Unweigerlich kam bei einer Kamerafahrt ein Spülbecken ins Bild.

Der Theaterregisseur Tony Richardson adaptierte Osbornes „Blick zurück im Zorn“ für die Leinwand und produzierte Samstagnacht bis Sonntagmorgen (1960), das Regiedebüt des Filmkritikers Karel Reisz (Sonntag im Arsenal). Der von dem jungen Albert Finney verkörperte Fabrikarbeiter Arthur Seaton träumt nicht vom Aufstieg; er verfügt über ein solides Einkommen und will einfach nur sein Leben genießen. So viel proletarisches Selbstbewusstsein, gepaart mit gesundem Hedonismus, hatte es bis dahin nicht gegeben. Das Drehbuch schrieb Alan Sillitoe nach seinem Roman.

Richardsons nächste Regiearbeit Bitterer Honig (1961) basierte auf dem Bühnenstück der erst 18-jährigen Shelagh Delany und handelte von einer jungen Frau, die von einem schwarzen Matrosen schwanger ist und mit einem schwulen Freund zusammenzieht. Hollywood zeigte Interesse an dem Stoff, allerdings wollte man die Hauptrolle mit Audrey Hepburn besetzen und das schwarze Kind eliminieren. Die Autorin blieb standhaft, gab die Rechte an Richardson, der Film verhalf Rita Tushingham zum Durchbruch. Aus heutiger Sicht beeindrucken das Spiel mit Geschlechterrollen und der Mut, ein androgynes Mädchen und seinen schwulen Freund als Traumpaar zu präsentieren (Mittwoch im Arsenal).

In den USA war es für junge Talente schwerer, sich gegen die Altbranche durchzusetzen. Als man endlich von einem New Hollywood sprechen konnte, gehörte der Kameramann John A. Alonzo zu den zentralen Figuren. Der Sohn mexikanischer Billigarbeiter pflegte einen sachlichen Stil („Harold und Maude“), zeigte sich aber auch glamourösen Hochglanzproduktionen wie „Scarface“ gewachsen. Alex Schills Dokumentation The Man Who Shot Chinatown (bis Montag im Regenbogenkino) bezieht sich auf Roman Polanskis Neo-Noir-Klassiker, für den Alonzo seine einzige Oscar-Nominierung erhalten hat. Es sollte mehr Filme über Kameramänner und -frauen geben.

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