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CITY Lights: Frauen am Fenster

Mit der Bahn unterwegs zu sein, das ist im wahren Leben die Hölle. Überfüllte, überhitzte Züge, deren Insassen auch noch dafür bezahlen müssen, dass sie gekocht werden – ein idealer Stoff für einen Katastrophenfilm.

Mit der Bahn unterwegs zu sein, das ist im wahren Leben die Hölle. Überfüllte, überhitzte Züge, deren Insassen auch noch dafür bezahlen müssen, dass sie gekocht werden – ein idealer Stoff für einen Katastrophenfilm. Im Kino hat die Bahn nichts von ihrem Reiz verloren. Kein anderes Fortbewegungsmittel erscheint so elegant und filmisch, vielleicht, weil die Kamera manchmal auf Schienen fährt. Am 22. Juli startet die Action-Komödie „Knight and Day“ mit Tom Cruise und Cameron Diaz, zu deren Höhepunkten eine Bahnfahrt durch die Schweiz und Österreich gehört; hier symbolisiert die Bahn das alte Europa im positiven Sinne, sie ist langsamer als das Flugzeug, hat aber mehr Stil.

Der Bahnhof ist eine Bühne, ideal für große Auf- und Abtritte. Als Die Frau, nach der man sich sehnt (1929) hat Marlene Dietrich ihren ersten Auftritt hinter einem Zugfenster, was natürlich unrealistisch ist. Aufgrund der Spiegelung kann man bei Tageslicht vom Bahnsteig aus gar nicht so genau sehen, wer hinter dem Fenster steht. Aber das Kino hat seine eigenen Regeln, und dieser erste große Dietrich-Film befolgt sie gekonnt. (Mittwoch 21.7. Babylon Mitte) Kurt Bernhardt hat das Melodram nach einer Vorlage von Max Brod inszeniert, und in Fritz Kortner hatte die Dietrich einen starken Partner als Komplize, der ihr ergeben ist und sie am Ende erschießt. Man erkennt Marlene Dietrich auf Anhieb, sie hat schon hier das gewisse Etwas. Und dennoch hat der Film, so gut er auch gemacht wurde, ihr nicht zum Durchbruch verholfen. Dabei ist sie hier viel eleganter als im „blauen Engel“.

Das Zugabteil als Unglücksbote und Virusträger: Dieses Motiv sorgt in Max Ophüls’ Brief einer Unbekannten (1948) für erschütternde Momente. Joan Fontaine bringt ihren kleinen Sohn zur Bahn, und wir hören beiläufig, dass sein Abteil eigentlich nicht belegt werden sollte; darin saßen Typhuskranke. Der Junge steigt trotzdem ein, der Zug fährt los, und wenn Joan Fontaine dem Sohn nachwinkt, wissen wir, dass sie ihn nicht wiedersehen wird (Sonnabend 17.7., Dienstag 20.7. im Zeughauskino). Es ist ein Film voller Abschiede, inszeniert von einem Mann, der selbst mehrfach zum Abschied gezwungen wurde, 1933 von Deutschland, 1940 von Europa. Er wirft auch die Frage auf, warum aus dem Stoff keine Schnulze geworden ist. Bereits die Vorlage von Stefan Zweig meisterte den Balanceakt, eine Herz-Schmerz-Geschichte wahrhaftig zu erzählen. Zusammen mit Kameramann Franz Planer gelang Ophüls einer der schönsten Wien-Filme aller Zeiten.

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