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CITY Lights: Gegen die Wände

Ein abgelegenes Dorf, das ausschließlich von Prostituierten bevölkert wird – das klingt nach einer Männerfantasie, die selbst dem fantasievollsten Mann nicht geheuer sein dürfte. Aber das Dorf gibt es, die in Paris lebende marokkanische Regisseurin Narjiss Nejjar hat in dem marokkanischen Dorf einen Film gedreht.

Ein abgelegenes Dorf, das ausschließlich von Prostituierten bevölkert wird – das klingt nach einer Männerfantasie, die selbst dem fantasievollsten Mann nicht geheuer sein dürfte. Aber das Dorf gibt es, die in Paris lebende marokkanische Regisseurin Narjiss Nejjar hat in dem marokkanischen Dorf einen Film gedreht. Produziert hat ihn ebenfalls ein Frau: Noufissa Sbai, die das Werk persönlich in Berlin vorstellt.

Mit Les yeux secs beginnen heute die Marokkanischen Filmtage, die das Arsenal mit dem Zentrum Moderner Orient organisiert hat. Die Prostitution wird von Nejjar und Sbai weder verharmlost noch dämonisiert, sie ist den Frauen aufgezwungen worden, und nun versuchen sie, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Der danach gezeigte Film Le temps des camarades von Mohamed Chrif Tribak handelt von einer jungen Frau, die nach dem Abitur studieren will und damit gegen den Willen der Familie verstößt, die sie unter die Haube bringen möchte. Bei der Darstellung der Studenten betont der Regisseur besonders den Konflikt zwischen Marxisten und Islamisten. Insgesamt neun Spiel- und Dokumentarfilme stehen auf dem Programm. Am Sonntag findet eine Diskussion statt, bei der über die zunehmend günstigen Produktionsbedingungen gesprochen wird, die in dem nach Ägypten zweitgrößten arabischen Filmland bestehen.

Bei Akira Kurosawa gibt es nichts mehr zu entdecken, sollte man meinen, denn nach seinem Durchbruch mit „Rashomon“ (1950) hat er nur noch Klassiker produziert. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass „Rashomon“ nicht sein Debüt war. Ein Höhepunkt der bis zum 31. Oktober laufenden großen Retrospektive, die das Arsenal am Montag mit dem Spätwerk Ran einleitet, ist der 1948 gedrehte existenzialistische Gangsterfilm Engel der Verlorenen (nächsten Donnerstag). Allein die Boogie-Woogie-Sequenz, in der Japaner afroamerikanische Musiker imitieren, lohnt den Besuch. Dazu kommt ein Kampf auf Leben und Tod zwischen ausgelaufenen Farbtöpfen.

Einen originellen, ironischen Titel trägt das Theaterfestival, mit dem das Ballhaus Naunynstraße an das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei erinnert. Almanci! 50 Jahre Scheinehe heißt es und wird von einer Filmreihe begleitet, die einen weiteren, beziehungsreichen Titel trägt: „Gegen die Leinwände“. Auch hier sind die unbekannten Arbeiten die reizvollsten, etwa der 1973 entstandene Fernsehfilm Frau Kutzer und andere Bewohner der Naunynstraße (Sonntag im Eiszeit). Es wird an den Pionier des deutsch-türkischen Kinos erinnert, an Teyfik Baser, der in den achtziger Jahren als Netzbeschmutzer galt, weil er die Unterdrückung der türkischen Frau behandelte. Und natürlich darf Fatih-„Gegen die Wand“-Akin nicht fehlen, der ein angesehener Nachwuchsregisseur war, als er mit Wir haben vergessen zurückzukehren (2000) die Geschichte seiner Eltern aufarbeitete: von vorn nach hinten, von der Gegenwart bis zur Vergangenheit (Freitag im Eiszeit). Es ist ein Familientreffen auf und nun in Berlin auch vor der Leinwand: Zur Vorführung werden Vater, Mutter und Sohn persönlich erwartet.

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