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CITY Lights: Janet, mein Engel

Der Berliner meckert mit Vergnügen über jedes Wetter, statt Sturm- sowie Hitzefluten mit positivem Denken zu begegnen. Vielleicht hilft da als spätsommerliches Abhärtungstraining die mentale Reise ins derzeit winterliche Neuseeland, das – vor seinem Gastauftritt bei der Frankfurter Buchmesse – filmisch derzeit in der Stadt auffällig präsent ist.

Der Berliner meckert mit Vergnügen über jedes Wetter, statt Sturm- sowie Hitzefluten mit positivem Denken zu begegnen. Vielleicht hilft da als spätsommerliches Abhärtungstraining die mentale Reise ins derzeit winterliche Neuseeland, das – vor seinem Gastauftritt bei der Frankfurter Buchmesse – filmisch derzeit in der Stadt auffällig präsent ist.

Bevor Mitte September das Down-Under-Berlin-Australien-Festival im Moviemento erstmals mit einer neuseeländischen Sektion startet, gibt es im Arsenal einen Einblick in diese Kinematografie: „Cinema Storytelling from New Zealand“, zusammengestellt von Maryanne Redpath, beginnt am Sonnabend mit dem Film, der die Karrieren von Jane Campion und ihrer Hauptdarstellerin Kelly Fox begründete. An Angel at My Table (1990) erzählt die leidensreiche Autobiografie der neuseeländischen Schriftstellerin Janet Frame kongenial in fast drei Stunden und eigenwillig episodischer Form.

Der Film wurde zu einer Ikone des Aufbruchs zu weiblicher Selbstbestimmung, denn die hochbegabte Tochter einer Arbeiterfamilie musste ihr poetisches Talent im puritanischen Neuseeland der 40er und 50er Jahre gegen viele Widerstände durchsetzen; nach einer Fehldiagnose auf Schizophrenie saß sie acht lange Jahre im Irrenhaus und wurde mit Elektroschocks gequält. Für viele war (und ist) die äußerlich robuste Heldin auch ein erfrischendes Gegenbild zu den ätherischen Frauenfiguren, die die Filmwelt bis heute mehrheitlich bevölkern.

Es war der Fotograf Bert Stern, der 1962 in seinen viel später veröffentlichten „Last Sitting“-Bildern das Image der sonst so neckisch erscheinenden Pin-upIkone Marilyn Monroe demontierte. Ein Kontrast hatte Stern auch bei seiner einzigen filmischen Regiarbeit vier Jahre zuvor interessiert – jener zwischen der idyllischen Kulisse der Ostküsten-Sommerfrische Newport und der von Unterdrückung beschwerten Herkunft schwarzer amerikanischer Musik. Ergebnis war der Konzertfilm Jazz on a Summer's Day, der mit seinen Impressionen vom damals erst vier Jahre jungen Newport Jazzfestival 1958 das stimmige Gegenbild zur späteren Gigantomanie etwa von „Woodstock“ liefert (Brotfabrik-Kino).

Auf der Bühne steht in Rhode Island ein Jazz-Line-up mit Louis Armstrong, Chuck Berry, Thelonious Monk und Dinah Washington. Drumherum ein entspanntes weiß und schwarz gemischtes Publikum, mit der Kamera locker hingetupft, wie ein von Georges Seurat gemalter Sonntagnachmittag an der Seine. Möwen und Segeljachten allerseits – nur ein paar Jugendliche, die vielleicht etwas zu ausgelassen über die Dächer tanzen, könnten etwas ahnen lassen von den Ausschreitungen, die zwei Jahre später den Sommerfrieden erschüttern und zum Abbruch des Festivals führen sollten. Aber das kann auch Einbildung sein.

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