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CITY Lights: Karl? Karlstadt!

Manchen gilt Karl Valentin fast als Popstar, zumal viele seiner knackigen Sentenzen zu verbalem Gemeingut geworden sind. Das ist schön für den Wortwitz der deutschen Sprache – und für den Rechtsanwalt Gunter Fette, der im Namen der Valentin-Erbin Abmahnungen an all jene verschickt, die mit diesen Sinnsprüchen ihre Webseiten zu schmücken wagen.

Manchen gilt Karl Valentin fast als Popstar, zumal viele seiner knackigen Sentenzen zu verbalem Gemeingut geworden sind. Das ist schön für den Wortwitz der deutschen Sprache – und für den Rechtsanwalt Gunter Fette, der im Namen der Valentin-Erbin Abmahnungen an all jene verschickt, die mit diesen Sinnsprüchen ihre Webseiten zu schmücken wagen. Nicht nur das allgemeine Sprach-Rechtsgefühl reibt sich daran heftig. Bizarr wirkt diese Strenge auch, weil sich Valentin – wie eine Ausstellung im Martin-Gropius-Bau 2008 anregend zeigte – selbst großzügig bei Bildergeschichten und anderen populärkulturellen Vorlagen seiner Zeit bediente. So sind die Filme Valentins medial höchst modern. Inszenatorisch aber siedeln sie noch dicht an den Varietébühnen des 19. Jahrhunderts, auf denen die abgefilmten Sketche entstanden. Berühmteste Ausnahme: die von Brecht und Erich Engel verfassten und koinszenierten Mysterien eines Frisiersalons aus dem Jahr 1922. Die rasant geschnittene surreale Komödie mit Zeitraffer und Stop-Motion-Tricks eröffnet am Freitag in einem Programm mit anderen Stummfilmen Valentins (begleitet von der Organistin Anna Vavilkina) eine filmische Werkschau des Münchner Komödianten im Babylon Mitte.

Dabei überrascht es, dass der Name von Liesl Karlstadt in der Ankündigung nicht auftaucht. Denn sie war ja nicht nur die kongeniale Bühnenpartnerin Valentins, sondern auch eine der ersten großen Filmkomödiantinnen Deutschlands und harrt noch immer einer angemessenen Würdigung – wie viele andere frühe Kinofrauen auch. Erst letzte Woche hat Kolumnenkollege Frank Noack hier mit Helke Sander eine Pionierin feministischer Filmgeschichte vorgestellt. Dieser Tage sind im Regenbogen-Kino Werke weiterer Vorkämpferinnen des Jungen Deutschen Films wie Claudia von Alemann (Freitag und Sonntag) und Recha Jungmann (Sonnabend) zu sehen. Mit dabei auch die fantastische Regiekoproduktion zweier sonst sehr eigenständiger Cineasten, die in ihren Geschichten vom Kübelkind (Sonntag und Montag) gemeinsam die Kleinformen der Kinofrühzeit wieder aufnahmen. 1970 veröffentlichten Edgar Reitz und Ula Stöckl die Folge von insgesamt 23 übermütigen Kurzepisoden um eine gründlich missglückende weibliche Sozialisation, die sie – nicht nur das erinnert an Karlstadt und Valentin – damals in Kneipen vorführten. Als Teil einer Hommage, mit der das Kreuzberger Kino die nur von 1961 bis 1968 bestehende Abteilung Film an der Hochschule für Filmgestaltung in Ulm ehrt, werden Sonntag und Montag immerhin drei der Stücke gezeigt: wunderschöne Zelluloidraritäten, die es bisher auf keiner DVD gibt.

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