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CITY Lights: Knabbern und kickern

Es gibt nicht viele Orte, an denen das Publikum über das Programm mitbestimmen darf. Einer davon ist der Chinaclub in der Cranachstraße.

Es gibt nicht viele Orte, an denen das Publikum über das Programm mitbestimmen darf. Einer davon ist der Chinaclub in der Cranachstraße. „Drei Filme zur Auswahl“ heißt es zum Freitagabend-Programm für den kleinen Saal, „darunter zur Feier der Verleihung des Literatur-Nobelpreises an Mo Yan ein Film, der auf einer Vorlage dieses Autors beruht“. Ob damit Zhang Yimous 1988 berlinale-gekrönter Erstling Rotes Kornfeld gemeint ist oder Happy Times (2001) vom selben Regisseur? Im vorderen Raum (ja, in der Friedenauer Ladenwohnung versteckt sich ein Multiplex!) kommt parallel mit Wuershans Painted Skin: The Resurrection ein aktueller chinesischer Mega-Erfolgsfilm in opulenter Drei-Heroinen-GhostStory-Tradition auf die Leinwand. Doch auch hier heißt es relativierend: „Oder, wenn gewünscht, ein anderer Film“. In dieser Großzügigkeit geht so was natürlich nur via DVD, aber der Chinaclub versteht sich auch weniger als Kino denn als Vermittlungsstätte chinesischer Filmperlen und interkulturellen Austauschs. Folglich gibt es, nach dem Film, auch Tischtennis und Kicker, und die Knabbereien kosten – bei freiem Eintritt – für chinesische Gäste nur 5 Renminbi, während deutsche Besucher mit 3 Euro das Fünffache zahlen. Hoffentlich setzen da die Anhänger von „Pro-Deutschland“ jetzt nicht gleich Diskriminierungsklagen auf.

Debatten über Dissidenz und Mitläufertum wie 2008 bem Olympiaeröffnungschoreografen Zhang Yimou und jetzt bei Mo Yan sind in Deutschland aus zwei Diktaturen vertraut. Ein Spezialfall war dabei Leni Riefenstahl, die für ihre Filme im Sinne des NS-Regimes bis zu ihrem Tod künstlerische Unabhängigkeit reklamierte und ästhetisch Zeichen für die heutige sport-televisionäre Zukunft setzte. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine finnische Olympia-Dokumentation über die Sommerspiele von Helsinki 1952 (Regie: Hannu Leminen): Nach einer Intro im Stile Riefenstahls setzt sie sich als weltoffene Proklamation der Völkerverständigung – mit erstmaliger Beteiligung der UdSSR – dezidiert vom Vorläufer ab, beschwört aber in der deutschen Synchronfassung von Rolf Wernicke (Text und Sprecher) überdeutlich die NS-Zeit herauf. Schließlich hatte Wernicke nicht nur Riefenstahls „Olympia“Filme gesprochen, er war damals auch einer der wichtigsten Sportberichterstatter. Am Sonntag ist im Martin-GropiusBau Begegnung der Welten – XV Olympia Helsinki als Matinée in der Begleitreihe zur „Mythos-Olympia“-Ausstellung zu sehen. Faszinierend ist dieser Rückblick in eine äonenferne werbefreie Sportwelt, als die Kämpfer auf dem Trikot nur ihre Nummer trugen und ihre Gesichter noch Spuren des kaum vergangenen Kriegs.

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