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CITY Lights: Moretti statt Moore

David Lean ist mehr als ein Regisseur, er ist eine Legende. Über sein Werk werden voluminöse coffee table books mit doppelseitigen Hochglanzfotos veröffentlicht, auf denen man jedes Sandkorn aus „Lawrence von Arabien“ und jede Schneeflocke aus „Doktor Schiwago“ zu erkennen glaubt.

David Lean ist mehr als ein Regisseur, er ist eine Legende. Über sein Werk werden voluminöse coffee table books mit doppelseitigen Hochglanzfotos veröffentlicht, auf denen man jedes Sandkorn aus „Lawrence von Arabien“ und jede Schneeflocke aus „Doktor Schiwago“ zu erkennen glaubt. Doch gilt diese kultische Verehrung nur Leans Breitwandepen. Sein bescheideneres Frühwerk ist weitgehend vergessen. Dabei spielte er stets in der A-Liga, und sein letzter Schwarz-WeißFilm Hobson’s Choice – Herr im Haus bin ich war 1954 der Sieger der Berlinale. Am Sonnabend ist diese eigenartige Mischung aus Sozialdrama und Komödie endlich wieder auf der großen Leinwand zu sehen (Filmkunst 66).

Die Handlung nimmt ansatzweise den Fall Fritzl vorweg: Charles Laughton verkörpert den verwitweten Besitzer eines Schuhgeschäfts, der seine drei Töchter wie Sklavinnen hält. Der Geizkragen will nicht, dass sie heiraten, denn dann würde er sie als unbezahlte Arbeitskräfte verlieren. Doch die älteste Tochter begehrt plötzlich auf und reißt die Macht im Haus an sich. Die inszenatorische Glanzleistung David Leans, der vom Schnitt kam und nicht von der Literatur oder vom Schauspiel, ist eine Sequenz, in der der betrunkene Hobson von Pfütze zu Pfütze springt und dabei versucht, den Mond aus ihnen zu vertreiben.

Wenig Erschlossenes gibt es auch im Werk von Nanni Moretti zu bestaunen, dem das Arsenal eine Retrospektive widmet. Moretti galt nach seinem internationalen Durchbruch mit Liebes Tagebuch (1993) als italienischer Woody Allen – auch er ein kleinen Mann mit Köpfchen, schüchtern und intellektuell, zwar nicht ganz so komisch und schrullig wie Allen, aber mit ähnlichem Hang zur Hypochondrie (der Film ist am Sonntag in Anwesenheit des Regisseurs und auch am Montag zu sehen). Daneben ist Moretti ist auch der – bessere – Michael Moore: ein Filmemacher, der sich einmischt, der unermüdlich Kritik an der Politik im Lande übt, an Silvio Berlusconi, an der italienischen Linken, auch an sich selbst. Diese Kritik wirkt mal liebevoll-ironisch, mal verbittert. Das beweisen frühe Super-8-Filme, die Moretti am Sonntag vorstellt. Womit sein Wesen noch lange nicht erschöpft ist: Wer hätte gedacht, dass dieser scheinbar so kopflastige Mann einmal Leistungssportler war? Von dieser Leidenschaft zeugt der 1989 gedrehte Wasserball und Kommunismus, der beide Themen ernst nimmt: Beim Wasserball versucht ein KP-Mitglied seinen Gedächtnisverlust zu überwinden und zu ergründen, wieso er der Partei beigetreten ist (Sonntag). Eine weitere Leidenschaft, die Musik, bestimmt auch Morettis Privatleben: Seine Ehefrau ist die Tochter von Luigi Nono und die Enkelin von Arnold Schönberg. Morettis persönliche Note? Die Leichtigkeit.

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