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CITY Lights: Notstand als Normalfall

Jede Kulturinstitution, die auf sich hält, muss sich dieses Jahr mindestens einen thematischen Schwerpunkt zum arabischen Frühling leisten. So gibt es nach Filmprogrammen im Arsenal, dem Haus der Kulturen der Welt und dem Zeughauskino, einen Tag nach Eröffnung des arabischen Filmfestivals „Alfilm“ nun auch im HAU mit Conflict Alt Escape eine sechstägige Veranstaltung zu den – so der Untertitel – „News aus Bagdad, Beirut, Jaffa und Kairo“.

Jede Kulturinstitution, die auf sich hält, muss sich dieses Jahr mindestens einen thematischen Schwerpunkt zum arabischen Frühling leisten. So gibt es nach Filmprogrammen im Arsenal, dem Haus der Kulturen der Welt und dem Zeughauskino, einen Tag nach Eröffnung des arabischen Filmfestivals „Alfilm“ nun auch im HAU mit Conflict Alt Escape eine sechstägige Veranstaltung zu den – so der Untertitel – „News aus Bagdad, Beirut, Jaffa und Kairo“. Doch die beiden Arbeiten arabischer Filmkünstler, die Irit Neidhardt dort am Samstag unter dem Motto Emergency as Routine vorstellt, sind lang vor den Aufständen entstanden und wirken auf den ersten Blick fast deplatziert.

Aber das täuscht: Denn ihre Geschichten von Traumatisierung und Enteignung ergänzen den Blick von den aktuellen Geschehnissen am Tahrir-Platz und in Libyen um eine nachhaltig wirksame Dimension. Wenn die libanesische Filmemacherin Dimal El-Horr in ihrem 2009 entstanden Film Every Day is a Holiday drei Heldinnen bei einer Busreise zum Gefängnis in einem surrealen Wüsten-Setting aussetzt, thematisiert sie die Verstörung aller Gesellschaften, die die Folgen von Konflikt und Bürgerkrieg mit Ignoranz und Gedächtnisverlust zu verdrängen versuchen.

Ihr in Köln lebender palästinensischer Kollege Kamal Aljafari präsentiert mit Port of Memory (ebenfalls 2009 gedreht) einen halbdokumentarischen Einstünder, der in präzise gesetzten Tableaus von der Enteignung – und damit Vertreibung – der letzten arabischen Einwohner Jaffas aus ihren Häusern und ihrer Heimatstadt erzählt. Darsteller des Films sind Aljafaris Eltern und eine Tante sowie die Stadt selbst, die längst vom Herz palästinensischer Weltläufigkeit und Urbanität zu einem Vorort von Tel Aviv geworden ist. Das ist intim und konkret und gleichzeitig, wie das glatt planierte Bauland drumherum, auch eine Metapher für ein Schicksal, das weltweit Millionen durch Spekulation von ihrem Land vertriebenen Menschen widerfährt.

Ein kleiner – und doch enormer – Schritt von hier zu dem Allround-Künstler und Filmemacher Jochen Kuhn, der an drei Tagen in der Akademie der Künste und dem Arsenal mit einer Werkauswahl geehrt wird. Auch seine namenlosen Städte sind unwirtlich. Doch sie scheinen schon immer unbewohnt gewesen zu sein. Die in düsteren Farben gemalten, animierten und mit sonorer Stimme selbst eingesprochenen Kurzfilme des Ludwigsburger Filmprofessors sehen mit ihren morbiden Traumbildern aus, als hätte man Hieronymus Bosch und Lyonel Feininger zusammen in de Chiricos Architekturwelten wüten lassen.

    Neulich 1-5
heißt eine Serie von Kuhns Kurzfilmen, die locker in die Programme am Sonntag in der Akademie der Künste und am Montag im Arsenal eingestreut sind und an der Oberfläche von missglückten Begegnungen oder Bordellbesuchen erzählen – darunter aber von der existenziellen Einsamkeit des künstlerisch begabten Mannes.

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