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Kultur: City Lights: "Sedmikrasky": Kritik der Konsumgesellschaft

Eigentlich ist dieser Film noch nicht so richtig reif für die "City Lights". Zu neu, zu mainstreamig.

Eigentlich ist dieser Film noch nicht so richtig reif für die "City Lights". Zu neu, zu mainstreamig. Doch da an dieser Stelle letzte Woche die heutige Jackie-Brown-Version der Schauspielerin Pam Grier im Vergleich mit ihrer jugendlichen Foxy Brown-Variante als "Schatten ihrer selbst" geschmäht wurde, soll ihr nun zumindest auf der Leinwand die Möglichkeit zur Gegendarstellung gegeben werden. Denn präsenter als Grier/ Brown in diesem Film kann eine Schauspielerin gar nicht sein, es sei denn, sie wollte tatsächlich von der Leinwand heruntersteigen. Aber das wird sie wohl leider nicht tun im Kreuzberger Regenbogenkino, wo Quentin Tarantinos "Jackie Brown" von Freitag bis Montag zu sehen ist (und am Sonnabend im Freiluftkino Hasenheide).

"Jackie Brown" ist einer der Filme, die man jedes Jahr mindestens einmal sehen sollte, um den Psychohaushalt einigermaßen stabil zu halten. Ein anderer Film aus dieser Kategorie ist Vera Chytilovás "Sedmikrasky" ("Tausendschönchen - kein Märchen"), der am Sonnabend im Arsenal in der Magical History Tour läuft. Zwei ungebührliche Mädchen toben und tricksen sich durch den realsozialistischen Alltag und dürfen sich dabei nicht nur den Bauch vollschlagen, sondern auch so genüsslich girliehaft sein wie sonst nur noch japanische Teenager. Ein Mädchenfressfilm aus vorbulimischen Zeiten, der in der Tschechoslowakei 1967 offiziell dafür kritisiert wurde, dass er "die Zerstörung von Lebensmitteln" zeigt. Und wie! Neben einer hedonistischen Attacke auf den Anstand und die sozialistische Spießermoral scheint dieser Film auch schon die Kritik der Konsumgesellschaft vorwegzunehmen.

Nur ein paar Jahre später ist im gleichen Land von der jugendbewegten Aufbruchsstimmung nur noch der Kater zurückgeblieben. Dissidente Filme landeten gleich im Giftschrank, manchmal für Jahrzehnte. So etwa der erste lange Dokumentarfilm des slowakischen Regisseurs Dusan Hanák "Bilder einer alten Welt" (Obrazy stareho sveta), der 1972 entstand, doch erst im Jahre 1988 das Licht der Öffentlichkeit erblickte, weil die Herrschenden in seiner realistischen Darstellung alter Menschen "Netzbeschmutzung" witterten. "Bilder einer alten Welt" ist am Dienstag im Tschechischen Zentrum in einer Werkschau zu sehen, die das Zentrum dem Regisseur zusammen mit dem Slowakischen Institut widmet.

Ebenfalls am Dienstag wird im Babylon-Mitte der Kameramann Michael Ballhaus zu Gast sein, einer der wenigen deutschen Filmschaffenden, der es in Hollywood zu Rang und Namen brachte. Ballhaus, der in den siebziger Jahren vor allem als Kameramann Rainer Werner Fassbinders bekannt wurde, ist wohl der amtierende Weltmeister der eleganten Kamerafahrt, einer Kunst, die er unter anderem in einigen Filmen von Martin Scorsese zur höchsten Vollendung brachte. Scorseses "Die Zeit der Unschuld", in der deutschen Synchronfassung im großen Saal des Babylon zu sehen, ist das letzte Produkt dieser produktiven Zusammenarbeit. Die ihm gewidmete Reihe läuft bis zum 20. Juni.

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