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CITY Lights: Tadel verpflichtet

In Künstlerbiografien erscheint Politik meist als Störfaktor. Sie treibt Menschen ins Exil oder zwingt sie zur Anpassung.

In Künstlerbiografien erscheint Politik meist als Störfaktor. Sie treibt Menschen ins Exil oder zwingt sie zur Anpassung. Der eine lebt mit einem guten Ruf in Armut, der andere ist mit dem Makel behaftet, in einem Unrechtsstaat viel Geld verdient zu haben. Verbittert sind am Ende beide. Untersucht man aber die posthume Karriere der betroffenen Künstler, wird Politik zum Segen. Sogar NS-Propagandafilme etwa, nach dem Krieg verboten, erweisen sich eines Tages als zumindest historisch wertvoll. Und schon wird der Tadel fast zum Adel.

Von einem Verbot möchte niemand mehr reden, stattdessen spricht man heute von Vorbehaltsfilmen. Die darf jeder sehen, allerdings mit wissenschaftlicher Einführung. An zwei Abenden kombiniert das Zeughauskino Unterhaltung und Aufklärung: Christiane von Wahlert referiert am Freitag über den Umgang der Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) mit NS-Propaganda, danach sind Ilse Werner und Carl Raddatz zu sehen, wie sie sich 1936 während der Olympischen Spiele verlieben und 1940 beim Wunschkonzert wiederfinden. Am Sonnabend folgen auf einen Vortrag über die Geschichte der Friedrich-WilhelmMurnau-Stiftung, die die Rechte an den umstrittenen Filmen besitzt, der antipolnische Hetzfilm Heimkehr mit Paula Wessely und die Podiumsdiskussion „Nur unter Vorbehalt!“ über den Umgang mit dem kulturellen Erbe der NS-Zeit.

Einen Vorläufer des Guido Knoppschen History-TV hat Richard Oswald 1931 inszeniert: 1914, die letzten Tage vor dem Weltbrand (Mittwoch, Eva-Lichtspiele) sorgte für Kontroversen, gerade weil er Kontroversen vermeiden wollte. Oswald wurde von links und rechts attackiert, weil er die für das jeweilige Lager „wahren Ursachen“ des Krieges nicht benannte. Formal ist der Film, mit seinen sprechenden Köpfen, bescheiden. Die gehören allerdings großen Schauspielern wie Heinrich George, Albert Bassermann und Alexander Granach.

Als „bester Film aller Zeiten“ galt lange Zeit Sergej Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“. Dass er bei der jüngsten Umfrage des Magazins „Sight & Sound“ auf Platz 11 gerutscht ist, hat nichts mit Vorbehalten gegen die Sowjetunion zu tun. Dziga Vertovs Der Mann mit der Kamera, ist dagegen von Platz 27 auf Platz 8 geklettert. Er wäre so nicht nur der beste sowjetische, sondern auch der beste Experimental- und Dokumentarfilm und der zweitbeste Stummfilm nach Murnaus „Sunrise“ (Freitag in den Tilsiter Lichtspielen). Vertov und sein Team haben 1928 aus purer Freude an der neuesten Kameratechnik die Städte Moskau, Odessa und Kiew erforscht. Wie bei einem „Making Of“ erscheinen die Kameraleute ab und zu selbst im Bild. Das meisterliche Ergebnis ist die Sinfonie dreier Großstädte, berauschend und zart zugleich.

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