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CITY Lights: Trümmermädchen auf der Couch

Die Phase, in der es den Trümmerfilm nicht mehr und den Heimatfilm noch nicht gab, ist wenig erforscht. Mila Ganeva versucht diesen Zustand zu ändern.

Das Jahr 1949 spielt eine zentrale Rolle in der deutschen Geschichte, in der deutschen Filmgeschichte ist es jedoch ein weißer Fleck. Die Filmforschung, die bevorzugt in Schubladen denkt, weiß wenig mit einer Phase anzufangen, in der es den Trümmerfilm nicht mehr und den Heimatfilm noch nicht gab. Zudem wurde die Produktion dieses Jahres von kurzlebigen Firmen bestritten, nach deren Konkurs sich niemand um die Pflege der Kopien kümmerte. Es fehlt auch ein Institut, das – analog zur Defa-Stiftung – systematisch den westdeutschen Nachkriegsfilm aufarbeiten würde.

Mila Ganeva, die an der Miami University in Oxford, Ohio unterrichtet, versucht diese Forschungslücke zu schließen. Sie hält eine Einführung zu Arthur Maria Rabenalts Martina, einem Problemfilm, den kein Geringerer als Heinz Rühmann produziert hat (Freitag im Zeughauskino). Die durch den Krieg traumatisierte Protagonistin landet auf dem Strich, wird vom Jugendgericht an eine Fürsorgeanstalt überwiesen und prostituiert sich erneut, bis eine Psychoanalyse das Trauma beendet. Bei diesem Plädoyer für Therapie statt Strafe verbindet Rabenalt soziale Genauigkeit mit Erotik. Die Geschichte einer entwurzelten jungen Frau ist für ihn auch Vorwand, attraktiven weiblichen Nachwuchs vorzustellen: Jeanette Schultze als Martina und Cornell Borchers als deren Schwester, eine Ärztin.

1989 lag Deutschland zwar nicht in Trümmern, doch in gewisser Hinsicht erinnert das Nachwendekino durchaus an das Nachkriegskino. Der westdeutsche Autorenfilm steckte in der Krise, die grüblerischen DDR-Bewältigungsfilme wollte kaum jemand sehen, und die Beziehungskomödie als Massenphänomen musste erst noch erfunden werden. Damals drehte der in Berlin lebende Armenier Don Askarian zwei Filme, die ihn als Regietalent etablierten. Komitas (Freitag und Sonnabend) porträtiert den gleichnamigen Musiker, der 1935 im Pariser Exil starb, und Avetik (Donnerstag, Sonnabend und Sonntag) einen exilierten Filmemacher im Berlin der Gegenwart. Zu sehen sind beide Arbeiten im Kreuzberger Moviemento, das dem Regisseur eine vollständige Retrospektive widmet.

Retrospektiven zum Film im Nationalsozialismus konzentrieren sich meist auf die Extreme, auf große Kunstanstrengungen und perfide Propaganda – dabei geben die Routineprodukte den damaligen Zeitgeist am besten wieder. Zum Beispiel der am Mittwoch in den Eva-Lichtspielen gezeigte Krimi Der Vierte kommt nicht (1939) mit Ferdinand Marian, dessen Regisseur Max W. Kimmich sein Handwerk in Hollywood gelernt hat. Es dürfte dessen Karriere nicht geschadet haben, dass seine Ehefrau die ältere Schwester von Joseph Goebbels war.

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