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Kompletter West-Ost-Überblick. Blick in die Präsidentensuite des Waldorf Astoria Hotels.

© Waldorf Astoria

City West: Heute wird das Waldorf Astoria eröffnet

Hochhäuser in der City West waren lange umstritten. Es wurde vor einer "Verzwergung" von Berliner Wahrzeichen wie der Gedächtniskirche gewarnt. Heute öffnet am Zoo nun das neue Luxushotel Waldorf Astoria.

Eine moderne City ohne Hochhäuser kann sich offenbar niemand mehr vorstellen. Warum eigentlich? Hochhäuser gelten als Sinnbild der Moderne. Und dass er nicht modern sei, will sich kein Städter vorwerfen lassen. Deshalb müssen Hochhäuser sein. Hilfreich ist natürlich, dass der wirtschaftliche Druck durch die Investoren die Gebäude wie durch eine immanente Hydraulik in die Höhe treibt. So kommt es, dass es keiner Anstrengungen bedarf, Hochhäuser zu ermöglichen, sondern dass es für ein Gemeinsam mühsamer ist, sie zu verhindern.

In Charlottenburg, in der City West, gibt es seit langem hinhaltenden Widerstand gegen Hochhäuser. Vielleicht weil das Gefühl vorherrscht, dass dort die vor 120 Jahren fünfgeschossig geprägte Stadt absolut in Ordnung ist, dass sie urban ist, lebenswert, charmant, von Anwohnern und Beschäftigten geschätzt, und dass größere strukturelle Veränderungen negative Folgen haben könnten. Es muss doch etwas bedeuten, dass sich Touristen vorzugsweise dort aufhalten, wo keine Hochhäuser stehen, ob in Madrid, Mailand, London, Paris oder eben in Berlin.

Als der Berliner Senat sich 1997 in einer „Hochhausverträglichkeitsstudie“ Gedanken über das Höhenwachstum rings um die Gedächtniskirche machte, signalisierte schon der Titel den Disput. Das Ergebnis der Studie war kein städtebaulicher Idealentwurf, sondern eine Reaktion auf reale Grundstücksverhältnisse und Investorenwünsche, eine Verwaltung des Machbaren, eine Reaktion auf die Zufälligkeiten der faktischen Zwänge. So geht Stadtplanung? Der Frankfurter Architekt Christoph Mäckler ersann die Hochhausvisionen für die City West im Auftrag des damaligen Bausenators Jürgen Klemann (CDU). Man kann nur hoffen, dass bald jemand „stillgestanden!“ ruft, wenn sich die Hochhauskohorte anschickt, nach Westen Richtung Fasanenstraße weiterzumarschieren. Vorerst steht die Front an der Joachimsthaler Straße. Die Pläne für das „Zoofenster“-Hochhaus gegenüber dem Bahnhof Zoo, in dem am heutigen Donnerstag das Fünfsternehotel Waldorf Astoria eröffnet, stammen von eben jenem Christoph Mäckler.

Gestartet war das Bauvorhaben Anfang der neunziger Jahre mit dem Projekt des britischen Architekten Richard Rogers, für das 1993 eine Baugenehmigung erteilt wurde. Doch der technizistische Stahl- und Glas-Turm kam nicht aus der Baugrube. Mehrfach wechselten Eigentümer und Investoren. 1998 wurde Mäckler mit der Planung betraut, das Investorengeschacher ging weiter und so dauerte es anderthalb Jahrzehnte, bis die verbretterte Baulücke aus dem Stadtbild getilgt war.

Er steht ja ganz gut da, der 118 Meter hohe, kantige Hotelturm, der ein wenig die zwanziger Jahre zitiert, Walter Gropius’ Entwurf für den Chicago Tribune Tower von 1922 etwa. Er steht immer irgendwie im Blickfeld, von der Kantstraße her, von der Budapester Straße her. Blickt man vom Tauentzien herüber, überragt er die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, was ihm viele übel nehmen. Von „Verzwergung“ des Berliner Wahrzeichens ist die Rede, was überzogen erscheint. So manche Perspektive freilich lässt sich nicht mehr mit der Kirche als städtebaulicher Dominante fotografieren, insbesondere nicht, wenn künftig auch Christoph Langhofs Hochhaus an der Kantstraße noch näher an die Westberliner Bauikone heranrücken wird.

Doch das Zoofenster ist nicht nur der Turm, es ist auch die komplette Blockbebauung, aus der der Turm herauswächst. Sie ist Stadtreparatur, Lückenschließung im besseren Sinne, nimmt die Fluchten und die Höhenzüge auf, hat an den richtigen Stellen Arkaden, Ladenfronten, Restauration, kurzum, sie kommuniziert mit dem urbanen Umfeld und bereichert es. Das Romanische Café, benannt nach dem früher am Ort des heutigen Europacenters befindlichen legendären Etablissement, nimmt die Ecke zum Breitscheidplatz ein und kann mit 60 Freisitzen an der Südseite aufwarten.

Christoph Mäckler engagiert sich seit Jahren für die „rematerialisierte Moderne“, wie er es nannte. Das heißt, er will der abstrahierten, ätherischen, entmaterialisierten Moderne wieder Kraft und Präsenz, Solidität und Dauerhaftigkeit geben. Zum Beispiel durch solides Fassadenmaterial, eine Kalksteinfassade, die nicht wie heute üblich aus vorgehängten Steintapeten, sondern aus ordentlich vermörtelten Steintafeln besteht. Beim Zoofenster sind unterschiedliche Steinoberflächen, aber auch unterschiedliche Fensterformate dazu benutzt, die spannungsreiche Baukörperkomposition zu pointieren, die sich aus Sockelbau, Nebentürmen und Hauptturm wie eine Plastik von Wotruba oder Malewitsch arrangiert. Am Turmkopf dann das „Zoofenster“, sieben voll verglaste Geschosse, in denen die Suiten untergebracht sind.

Prunk und Pomp sind nicht Art des Hauses

Zeitlos modern will das Haus sein, auch in der Form langlebig, nachhaltig. Merkwürdig nur die heroischen „Fackelhalter“ beiderseits des Hauseingangs, die wahlweise an das römische oder das „Tausendjährige“ Reich erinnern, sie sollte man baldigst abschrauben. Zeitlos modern zu sein nimmt auch die Inneneinrichtung des Hauses für sich in Anspruch. In der Tat erlebt der Besucher nicht diesen Kulturschock, den etwa das Innere des Ritz Carlton mit seiner architekturhistorischen Asservatenkammer, den grotesk aufgepumpten Säulen, Stuckorgien und original barocken Steckdosen oder das Adlon hervorruft.

Die Agentur Inter-Art-Études aus Paris und das Berliner Büro Aukett + Heese (für Spa und Lang Bar) bedienen sich einiger Motive aus dem New Yorker Waldorf Astoria Stammhaus und wandeln stilistisch zwischen einem angenehm reduzierten Art Déco und der Klassischen Moderne. Prunk und Pomp sind nicht Art des Hauses. Goldtöne zum Beispiel akzentuieren zwar Entree und Lobby, aber das Gold schimmert verhalten hinter Glas oder taucht als Aderung im Portoro-Marmor der Pfeiler auf. Die Empfangshalle mit der gewendelten Treppe soll an den Geist der transatlantischen Luxusdampfer der dreißiger Jahre erinnern. Auch der Ballsaal verströmt nur verhaltenes Gepränge. Edle, aber nicht aufdringliche Materialien charakterisieren die Stimmung. Die Gestaltung des Restaurants Les Solistes hat sich Sternekoch Pierre Gagnaire selbst vorbehalten, auch er bleibt in der vornehm dezenten Gestaltungspalette des Hauses, ebenso der Wellnessbereich im fünften Stock, der als „einziges Guerlain Spa“ in Deutschland angepriesen wird.

232 Zimmer und Suiten verschiedener Kategorien bieten unaufdringlichen Luxus. Verschiedene Holzarten sollen den Eindruck von gewachsenen Interieurs erwecken – wie zu Hause. Nur der ovale Esstisch und die klassizistische Recamiere fallen stilistisch etwas aus dem zeitlosen Rahmen, aber die kann man ja rausräumen. Angenehm hingegen die Allgegenwart originaler Kunstwerke. Bei der Auswahl der über 1000 Arbeiten, mehrheitlich von Absolventen der UdK geschaffen und überall im Haus präsent, waltete eine glückliche Hand. Unbezahlbar und wirklich ein Privileg für Betuchte ist die Aussicht, vor allem aus den Suiten in den obersten Geschossen.

Wenn das Zoofenster auch in Zukunft Eckpunkt des Hochhausclusters am Breitscheidplatz bleibt, erfüllt es seine Aufgabe mit Bravour. Das Hotel selbst wird sicher nicht von Designfreaks und Gestaltungspuristen frequentiert werden. Es ist nicht so konsequent auf Form getrimmt wie etwa das Concorde einige Schritte weiter, aber allemal eine Alternative zu Plüsch- und Talmitempeln wie Regent, Ritz Carlton oder Adlon.

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