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Kultur: Claire oder so

Zsuzsa Bánks Erzählungen „Heißester Sommer“

Lisa, Luca, Lea, Lydia, Larry und wie sie hier alle heißen, es geht ihnen nicht gut, gar nicht. Alle haben sie etwas Mutloses, als wüssten sie, dass sie in diesen Erzählungen gerade noch einmal auftreten dürfen, dann wird die Welt sie endgültig vergessen haben. „Wie hab ich das gefühlt, was Abschied heißt“, scheint Zsuzsa Bánk – 2002 weithin gefeiert für ihren Debüt-Bestseller „Der Schwimmer“ – sich gesagt zu haben, und so erzählt sie ein knappes Dutzend Geschichten, in denen etwas aufhört, verschwindet, an sein Ende kommt. „Sie hat ihm nachgeschaut“, heißt es da einmal, und so ist es: Das ganze Buch über schaut da jemand sich, den andern, dem Leben, seinen Sätzen nach, und dabei bleibt es dann auch.

Es sind zumeist junge Menschen, von denen da erzählt wird, aber es klingt, als seien sie uralt, wissen alles nur noch ungefähr, irgendwie, irgendwann, irgendwo, „ein Mädchen, ja, Claire oder so, vielleicht Helen, gar nicht hässlich“.

Das zum Beispiel steht in der längsten Geschichte, „Larry“, und während man sie liest, denkt man, sie sei vielleicht die gelungenste. Sie spielt in Amerika, in Washington, handelt vom Rumhängen, von Koks und Instant-Capuccino, es liest sich wie ein Treatment, eines von denen, die dann immer viel besser sind, als die nie gedrehten Filme je geworden wären. Zwei Frauen, ein Mann, Zufallsbegegnungen, Zufallstrennungen, voller Vermutungen und vor allem voller Gleichgültigkeit. Kleine, unwichtige Szenen und dazwischen zwei, drei, die vielleicht für irgendwen in der Geschichte wichtig waren, aber welche und für wen?

Die Erzählung, die sicher nicht von ungefähr in der Mitte des Buches steht, heißt „Glück“, und man beginnt sie mit der kleinen Neugier, wie Zsuzsa Bánk es wohl macht, dass das garantiert eine Geschichte über Unglück wird, und man wird auch nicht enttäuscht: Ein Mann, oder ist es eine Frau, hat eine andere geliebt, das Leben war eine Weile lebendiger als sonst, dann war die Liebe vorbei. Und weil es nicht hilft, dass die eigene Mutter einem sagen will, dass es anderen noch schlechter geht, bleibt nur noch der Blick in die Waschmaschine. Die dreht sich wenigstens und macht Geräusche.

Zukunft haben diese Figuren keine, schwer tragen sie an ihrer Vergangenheit, von der sie kaum etwas preisgeben. Das verleiht ihnen, ungeachtet des betont zeitgenössischen Settings, etwas geradezu Jugendstilhaftes. Die Melancholie wirkt, selbst wo Gründe angegeben werden, seltsam grundlos. Und so schauen einen diese Erzählungen an, als hätten sie Ringe unter den Augen.

Zsuzsa Bánk:

Heißester Sommer. Erzählungen.

S. Fischer, Frankfurt am Main 2005.

144 Seiten, 15,90 €.

Jochen Jung

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