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Kultur: C’mon Baby

Ein

von Kai Müller

Uns trägt kein Volk mehr“, hat Gottfried Benn einmal gesagt und damit ein Sonderrecht formuliert, das ein Lyriker, ein Künstler wie er beansprucht. Denn er meinte: Was ich produziere, ist durch andere nicht mehr bewertbar. Es ist von einer anderen Realität, da es niemanden repräsentiert. Dass Benn darüber zum Sozialautisten wurde, der sich an den kollektiven Körper nicht länger zu binden vermochte, hat er als edle Berufung verstanden.

Große Dichtung setzt zuweilen große Einsamkeit voraus. Und sind nicht die Ohnmächtigen stets die größten Künstler gewesen! Neros Brandschatzung Roms: ein Liebesgedicht an die Götter. Auch Gerhard Schröders Durchhaltewillen als Kampfkanzler trägt römische Züge. Ich bin’s, sagt er und pocht auf sein Recht als Volkstribun.

Nicht einsehen zu wollen, dass das Volk ihn und seine Reformregierung gerade fallen gelassen hat, wird ihm nun als Realitätsverlust vorgeworfen. Von Verblendung ist die Rede. Dabei nähert sich Schröder, der Medien-Abkanzler, längst seiner eigentlichen Bestimmung: einem Wirken jenseits von Dichtung und Wahrheit. Als TV-Autist tritt er vor uns, oder, wie Peter Sloterdijk es formuliert hat, Schröder habe „die wichtige Entdeckung gemacht, dass es auch ohne Realität geht“.

Das hätten sich die 140 Passagiere der in Los Angeles mit brennenden Reifen notgelandeten Airbus-Maschine auch gewünscht. Wenn Kapitän Gerhard Schröder am Steuerknüppel gesessen hätte, wäre das Flugzeug durchgestartet. Und ins Bordprogramm wäre ein Song von Britney Spears eingespielt worden: „Hit me, Baby, hit me one more time.“

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