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Maria Husmann als alte und Josephine Renelt als junge Tilla Durieux.

© Thomas M. Jauk

"Comeback" an der Berliner Staatsoper: Erdloch und Donnergott

Tilla Durieux feiert ihr „Comeback“ in der Werkstatt der Staatsoper: Komponist Oscar Strasnoy und Autor Christoph Hein haben dort ihre neue Oper vorgestellt.

Touristen und Teenager auf dem Weg ins Multiplexkino dürften, wenn überhaupt, Tilla Durieux vor allem als Namensgeberin eines im Wortsinn etwas schrägen Parks am Potsdamer Platz kennen. Doch die Schauspielerin war drei Jahrzehnte eine große Nummer in Berlin. Schriftsteller Christoph Hein hat 2012 ein Stück über sie fürs Deutsche Theater geschrieben, wo sie von 1903 bis 1911 engagiert war. Und seinen Text jetzt im Auftrag der Berliner Staatsoper mit Komponist Oscar Strasnoy zu einem Musiktheaterstück umgearbeitet. Premiere von „Comeback“ war am Freitag in der Werkstatt.

„Ich habe mein Leben überstanden, das reicht mir.“ Die singsprechende Maria Husman als alte Tilla Durieux redet sich ein, sie sei zufrieden. Weil sie es geschafft hat, nach Flucht und Exil in Deutschland wieder künstlerisch anzukommen. Die Realität sieht anders aus: Regisseur Ingo Kerkhof steckt sie zur Hälfte in ein Erdloch – Referenz an Samuel Beckett, der ja eine Lichtgestalt des untergegangenen Schillertheaters gleich nebenan war. Weiterer interessanter Kniff: Zu der alten Dame gesellt sich ein junges Alter Ego (Josephine Renelt), was die eine singend erlebt, daran erinnert sich sprechend die andere – mit verräterischen Differenzen. Durieux’ Ehemann Paul Cassirer (Martin Gerke), der sich 1926 umbrachte, kehrt als Toter zurück: „Ich habe nichts verpasst. Der Kaiser war ein Kotzbrocken, aber was danach kam ...“

Dichtgewebte Musik im 30er-Jahre-Sound

Dann Cut und Schwenk. Auf der anderen Seite spielt sich ein paralleles Biopic ab: das von Emil Jannings, der anders als die Durieux mit den Nazis kooperiert hat. Ralf Lukas leiht ihm kongenial Gestalt und Stimme, ein Donnergott mythologischen Ausmaßes, erst fett, dann im Rollstuhl, schließlich blind. Strasnoy hat eine dichtgewebte Musik im 30er-Jahre-Sound mit Streichern, E-Gitarre und Hammond- Orgel geschrieben. Die tollen Sänger können eine zentrale Schwäche des Stücks aber nicht wettmachen: dass sich die Leben von Durieux und Jannings – von denen jedes für sich schon genug Opernstoff bieten würde – kaum berühren, außer dass beide mal (nicht gleichzeitig) am Deutschen Theater engagiert waren. Die Paarung wirkt beliebig, bringt keinen Erkenntnisgewinn – außer dem wenig überraschenden, dass Karrieren im Nazireich eben sehr unterschiedlich verlaufen konnten. Um das zu illustrieren, hätte es sich wohl eher angeboten, Jannings mit der Dietrich zusammenzuspannen, mit der er immerhin für den „Blauen Engel“ vor der Kamera stand.

wieder 4., 7., 9., 12., 15. und 16. Oktober

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