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Wechselausstellung: Noch bis zum 24. August ist die Schau "Canicule, Autopsie eines Werkes - Vautrin von Baru" im Museum zu sehen.

© Daniel Fouss/Promo

25 Jahre Belgisches Comic-Museum: Die heimlichen Herrscher von Brüssel

Das Comic-Museum in Belgiens Hauptstadt feiert sein 25-jähriges Bestehen - und damit auch den Jahrestag der Rettung eines architektonischen Meisterwerks.

In Afrika und Südamerika prangten früher überlebensgroße Konterfeis von Diktatoren auf den Hauswänden. In Brüssel sind es Lucky Luke, das Marsupilami oder Suske und Wiske. Comic-Helden sind hier die heimlichen Herrscher: Denn Brüssel ist nicht nur die Hauptstadt des EU-Apparats, sondern auch die Metropole der Comics. An fast jeder Straßenecke, in zahllosen Geschäften trifft man auf die Protagonisten der „neunten Kunst“, wie die Comics hier respektvoll genannt werden. Comics sind in Belgien selbstverständlicher Bestandteil der Kultur. Ganz anders als in Deutschland, wo Bildergeschichten und Sprechblasen lange als dumm oder gar jugendgefährdend angesehen wurden. In Belgien sind Comic-Zeichner ehrenwerte Leute; nicht wenige tragen Orden aus der Hand des Königs.

Ein Ehrenplatz für Tim, Struppi und Hergé

Comic-Heroen verschönern nicht nur die alten Häuser Brüssels - sie tragen sogar zu ihrem Erhalt bei. Tapfer stellen sie sich gegen das hier gängige städtebauliche Konzept: Bulldozer, Abrissbirne und Stahlbeton. Ein Kleinod des Brüsseler Jugendstils, die Maison Cauchie, etwa verdankt seine Rettung nicht zuletzt den Comic-Urgesteinen Tim und Struppi. Das abrissreife Haus wurde von dem engagierten Ehepaar Leo und Guy Dessicy 1980 aufgekauft; nach seiner Wiederherstellung sollte es als „Tim und Struppi“-Museum dienen. Dadurch wurde das Rettungsprojekt rasch bekannt. Das Haus wurde erhalten, auch wenn sich der Museumsplan letztlich zerschlug.

Denn eine weitere, größere Rettungstat im Namen der Kultur stand an. Durch die Einrichtung eines „Belgischen Comic-Museums“ in der Rue des Sables im Oktober 1989 wurde ein Meisterwerk des Brüsseler Jugendstilvirtuosen Victor Horta gerettet, das Warenhaus des Textilkaufmanns Wauquez. Inmitten einer öden Landschaft aus Glasklötzen der 1960er bis 2000er Jahre ist es heute ein heller Lichtblick im Osten des Brüsseler Stadtzentrums. Dieser Tage feiert es sein 25-jährigen Bestehen - unter anderem mit einer „Großen Nacht der Comics“ an diesem Freitag, dem 8. August.

Schon am Eingang bekommt der Besucher einen Eindruck, was ihn erwartet: Architektur vom Feinsten, bevölkert von den Stars der „neunten Kunst“. Die Glaskonstruktion des Dachs versorgt das ganze Haus mit Tageslicht. In der Eingangshalle zieht eine drei Meter hohe Mondrakete die Blicke auf sich, eine Zukunftsvision der 50er Jahre mit rotweißen Karos. Gegenüber die Bronzestatue des Mondreisenden selbst: Reporter Tim (im französischen Original: Tintin).

Ihm, seinem treuen Terrier Struppi und seinem Schöpfer Hergé gebührt auch hier im Allerheiligsten der Comics der Ehrenplatz. Hergé (1907-1983) schuf 1929 mit dem abenteuerlustigen Tintin einen Charakter, der der US-Übermacht von Disney und Co. echte Konkurrenz machte. Weil Hergé, wie er glaubte, nicht gerade virtuos mit dem Zeichenstift umgehen konnte, beschränkte er sich auf ein kindliches Prinzip: Punkt, Punkt, Komma, Strich. Tintins Mondgesicht mit dem einsamen Haarbüschel ist ein Allerweltsgesicht. Und in aller Welt ist der Reporter denn auch zu Hause - immer im Dienst der guten Sache.

Brüsseler Jugendstil: Durch das Glasdach erhellt Tageslicht die Exponate.
Brüsseler Jugendstil: Durch das Glasdach erhellt Tageslicht die Exponate.

© Daniel Fouss / Promo

Comic-Fans sollten bei ihrem Brüssel-Aufenthalt nicht zu viel Bargeld mitnehmen und die Kreditkarte zu Hause lassen. Das Museum beherbergt nicht nur eine der größten Comic-Bibliotheken der Welt. Der angeschlossene Fan-Shop spricht alle Sprachen - manche Albumklassiker sind hier selbst in Russisch erhältlich. Dazu Fachlexika, Marsupilamis in Gorillagröße und Mondraketen zu Fantasiepreisen. An der Grand' Place, Brüssels guter Stube, bietet in teuerster Lage ein Tintin-Fachgeschäft seine Waren feil.

Die Comics sind nicht nur selbst eine Religion in Brüssel. In der Rue Maurice Lietart 31/2 befindet sich auch das Museum christlicher Comics. Mit weit mehr als 2.000 Bänden in 40 Sprachen verfügt es über den Großteil aller verfügbaren Titel.

Wer mehr auf bissige Zeitkritik in Comic-Form steht, sollte auf die Alben von Francois Schuiten und Benoit Peeters zurückgreifen. Sie zeichnen das Bild einer bedauernswerten Stadt namens „Brüsel“, die von gewissenlosen Spekulanten und einer allgegenwärtigen Bürokratie zugrundegerichtet wird. (KNA)

Das Museum im Internet: www.cbbd.be/de

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