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© Illustration: Edition Moderne

Autorencomic: Wir sind so dreckig, wie wir sein wollen

Jung und wild ist nicht mehr, was es einmal war: Florent Rupperts und Jérôme Mulots „Affentheater“ ermüdet mit zielloser Provokation.

Zwei Sensationsjournalisten brechen nachts mit einer Filmkamera in den Zoo des Pariser Jardin des Plantes ein. Einer von ihnen hat gehört, dass dort Wärter den Elefanten sexuell missbrauchen: Das allein ist die Rahmenerzählung von Florent Rupperts und Jérôme Mulots „Affentheater“. Die beiden Protagonisten treten in einigen der dazwischen gelagerten Episoden als „Die Porträtfotografen“ auf und zeigen, warum Ruppert und Mulot als enfants terribles der französischsprachigen Comicszene gelten: Sie besuchen inkognito einen Behindertenmaskenball mit anschließender Orgie, fotografieren eine Bumerang-Selbstenthauptung mit Pickelhaube, einen Lynchmord von Pazifisten an einem Bombenfabrikanten und präparieren Prostituierte für eine Fotoinstallation.

Auch Manu Larcenet hat im zweiten Teil seiner Serie „Der alltägliche Kampf“ die Porträtfotografie in das Medium des Comics integriert. Bei ihm wurden die Porträtbilder für den Protagonisten zu einer biografischen Standortbestimmung, indem er sich fragte: Was tauge ich als Fotograf? Was bedeutet meine Herkunft für meine Kunst? In Affentheater haben sich Ruppert und Mulot dieses Prinzip als obszöne Pointe zunutze gemacht. Die eingestreuten Porträtaufnahmen sehen aus wie künstlerisch aufgemotzte Meuchelmorde aus Alan Moores „From Hell“, mit einer Attitüde von subversivem Humor versehen. Immerhin genügte dies, um die Macher von „Affentheater“ 2007 beim Comicfestival von Angoulême als meistversprechende Newcomer auszuzeichnen.

Ein Säbel im Rachen einer SM-Fetischistin

Ruppert und Mulot wollen offenbar die Grenzen des künstlerisch Erlaubten überschreiten und gerieren sich als ästhetische Anarchisten. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange sie dabei auch lustig sind.

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Möchtegern-Punk. Eine Seite aus dem besprochenen Buch.

© Illustration: Edition Moderne

Die jetzige Generation von Comicbegeisterten in Deutschland ist mit Walter Moers und Ralf König groß geworden und weiß deshalb recht genau, wo die Grenzen zwischen pubertärem Gehabe und tatsächlichem Eingriff in die gesellschaftlichen Wertvorstellungen verlaufen. Selbst wenn man für Walter Moers einfach zu abgebrüht geworden ist, schafft es Ralf König immer noch, den common sense mit der Grenzüberschreitung so kurzzuschließen, dass beides plötzlich nicht mehr unvereinbar scheint. Das hat er mit „South Park“ gemein, wo inzwischen Körperausscheidungshumor Hand in Hand geht mit Gendertheorie oder überkommenen literarischen Werturteilen. So eine Dimension geht „Affentheater“ ab. Man muss schon für sich die verschämte Darstellung von abgetrennten Gliedmaßen im Comic skandalös finden, um sich hier moralisch ereifern zu können. Sonst ist „Affentheater“ schlicht langweiliger Möchtegern-Punk.

Wenn da nicht seltene visuelle Einfälle wären, die „Affentheater“ über das „Wir-sind so-Underground-Getue“ erheben würden. Eine Episode endet mit einem Siegerporträt, auf dem ein Anzugtyp nach einem erfolgreichen Säbelkampf seine rechte Hand auf seinem Säbel abstützt, der aber nicht in einer Scheide, sondern in dem Rachen einer SM-Fetischistin steckt. Überdies stecken die zwei Haken an ihrem Hals an seinem Gürtel fest. Als ob die Bildwirkung nicht abenteuerlich genug wäre, ist dies Schlusspanel die zwangsläufige Entwicklung einer nonchalant erzählten abstrusen Geschichte, die dem Ganzen tatsächlich einen Hauch von sehr, sehr fremder Lebenswelt verleiht. Das ist deutlich subversiver als der Pennälerhumor, der sich sonst bisweilen in den Dienst der political correctness stellt, wenn Rassisten in einer Traumwelt massakriert oder inmitten ihrer Witze von einem Herzinfarkt heimgesucht werden.

Erstaunlich bleibt der „Do-it-yourself“-Ansatz, der den Leser von „Affentheater“ in die Zeiten von „Yps“ und anderer Kindermagazine zurückholt. Direkt nach dem Doppelporträt von zwei zugerichteten Prostituierten verheißt der Text „Kameraaufnahmen tierpornografischen Inhalts“, sobald die Leser die „codiert“ abgebildeten Kamerabilder zusammenfalten würden. Heraus kommt – soviel sei verraten – ein Elefant, auf dem es in einigen Variationen moderat getrieben wird. Das Gefalze macht ebensoviel Spaß wie das Buchstabenrätsel an anderer Stelle, aber all das reicht dennoch nicht aus, um sich auf den Humor von „Affentheater“ zurückzubesinnen. Seien wir geduldig, auch Cartman ist nicht so flach gewesen, wie es in den Anfangszeiten von „South Park“ schien.

Florent Ruppert / Jerome Mulot: Affentheater. 112 Seiten, s/w, 14.80 Euro,
Edition Moderne.

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