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Experimentell. 16 Zeichnungen von Mahler sind die Grundlage des Buches.

© Illustration: Mahler/Luftschacht

Comic-Minimalismus: Im Dutzend billiger

Für „Dick Boss“ hat Nicolas Mahler, der Meister des subtilen Comic-Humors, mit zwölf Schriftstellern zusammengearbeitet. Das Ergebnis ist enttäuschend.

Mit Konzepten ist es so eine Sache: Sie können so erdrückend sein, dass jeder noch so funkelnde Einfall darin erstickt. Solch ein Fall ist „Dick Boss“. Nicolas Mahler ist sonst ein Meister darin, aus jeder winzigen Verschiebung des scheinbar Immergleichen eine sitzende Pointe herauszuholen. Hier überlässt er die Wiederholung allerdings zwölf Schriftstellern, die 16 Zeichnungen von ihm beliebig neu anordnen und mit einem eigenen Text versehen konnten.

Das Ganze dient einerseits als Hommage an den Privatdetektiv Dick Bos, der in einer holländischen Comicserie des Zeichners Alfred Mazure ermittelte und gegen Mitte des vergangenen Jahrhunderts wohl recht beliebt war. Andererseits huldigt Mahler dem schöpferischen Prinzip „Kreativität durch Beschränkung“. Manchmal geht das gut wie etwa in Lars von Triers „The Five Obstructions“, wo der dänische Experimentalfilmer Jørgen Leth seinen eigenen Kurzfilm nach Vorgaben von Lars von Trier variieren muss. Dem war allerdings bewusst, dass der Reiz darin liegt, die beschränkende Vorgabe immer neu auszurichten. Vielleicht wäre „Dick Boss“ durch ein wenig mehr Variation zu retten gewesen.

So ist aber die Abfolge der gleichen 16 Bilder schon rein visuell ermüdend genug. Sie bleiben ebenso skizziert wie der Kriminalfall, der bloß aus klassischen Situationen aus dem Leben eines Schnüfflers besteht: das Büro mit der Schreibmaschine, die in ihn verliebte Tippse, Schüsse, eine Leiche, der Held gefesselt oder hinter dem Steuer. Die Autoren tun ihr Bestes, etwas aus dem Material rauszuholen: Sie lassen einen Brief als handelnde Figur auftreten, lassen Dick Boss Kinderreime schleudern und gleichzeitig über Rilke räsonieren, ihn an Lungenkrebs leiden, zum Fall für die Therapie werden oder sie degradieren ihn zu einem Postmann, der zur Polizei will.

„Weiße Zacken im Genick sind wie Erinnerungen an Alufolie“

Sämtliche Geschichten verkleben aber beim Lesen zu einer ununterscheidbaren Masse. Am interessantesten sind noch die Assoziationen, die Mahler jeweils mit den diffusen Formen seiner Zeichnungen erweckt: die Rauchschwade einer Zigarette wird da zu einem Eukalyptusblatt, das Mündungsfeuer einer Pistole zu einem Marshmallow-Mann. Doch nur Dietmar Dath gelingt es, dass seine Sätze sich von den Bildern lösen: „Weiße Zacken im Genick sind wie Erinnerungen an Alufolie“.

Das wirkliche Problem mag allerdings sein, dass „Dick Boss“ kein Mahler-Buch ist, obwohl es eigentlich wie eines aussieht. Bis der nächste Band erscheinen wird, müssen wir uns deshalb mit einem Kurzfilm begnügen, in dem Nicolas Mahler die Abstraktionen des Experimentalfilms zusammenkehrt - unter diesem Link.

Nicolas Mahler: Dick Boss - 12 Stories, mit Texten von Tilman Rammstedt, Verena Roßbacher, Diemar Dath, Franz Adrian Wenzl, Clemens J. Setz, Simon Froehling, Martin Amanshauser/ Linda Stift, Michael Stavarič, Hanno Millesi, Andrea Grill, Jürgen Lagger. Luftschacht-Verlag, 230 Seiten, 9,60 Euro. Mehr unter diesem Link.

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