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Pionier: Mit "Strizz", hier das Titelbild eines Sammelbandes, erlebte der Zeitungscomic in Deutschland eine Renaissance.

© FAZ

Comic-Strips in der FAZ am Ende: Schluss mit "Strizz" & Co

Gut 14 Jahre lang veröffentlichte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Comicserien deutscher Zeichner und läutete damit eine Renaissance der Veröffentlichungsform ein. Jetzt beendet die Zeitung das Projekt.

Wenn am kommenden Donnerstag die letzte Folge von Reinhard Kleists Comic "Der Traum von Olympia" in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erscheint, geht damit eine ganze Ära zu Ende. Begründet wird dieser harte Schritt mit dem derzeit strengen Sparkurs, dem vor einigen Monaten unter anderem schon die samstägliche Wochenendbeilage "Bilder und Zeiten" zum Opfer fiel und mit dem die wirtschaftliche Schieflage bekämpft werden soll, in die die FAZ zuletzt geraten ist. Zum Verhängnis wurde den Comics hierbei, dass die FAZ ihren Zeichnern sehr gute Honorare von mehreren hundert Euro pro Folge zahlte. "Somit kann ein signifikanter Betrag eingespart werden, wenn der Comic gestrichen wird", teilt der zuständige FAZ-Redakteur Andreas Platthaus auf Nachfrage des Tagesspiegels mit.

Zudem befindet sich das FAZ-Feuilleton nach dem Tod von Herausgeber Frank Schirrmacher, der die Comic-Aktivitäten immer förderte, derzeit in einem Vakuum, in dem sich der derzeitige Leiter Günther Nonnenmacher womöglich etwas leichter an solch radikale Schritte herantraut. Damit geht jetzt eine Institution unter, deren Bedeutung für die deutschsprachige Comic-Szene kaum zu überschätzen ist.

Ende eines Traums: Reinhart Kleists derzeit laufende Erzählung "Der Traum von Olympia" ist die letzte Comicserie, die die FAZ veröffentlicht.
Ende eines Traums: Reinhart Kleists derzeit laufende Erzählung "Der Traum von Olympia" ist die letzte Comicserie, die die FAZ veröffentlicht.

© Kleist/FAZ

Denn Comics waren zum Ende des 20. Jahrhunderts in den deutschen Zeitungen zu einem absoluten Randphänomen geworden, das zumeist auf die Kinder- und Rätselseiten verbannt wurde. Hier stemmten sich nur vereinzelt deutsche Eigenproduktionen der amerikanischen Dominanz unter den Lizenz-Strips entgegen – etwa die "Ottifanten" in der "Hamburger Morgenpost" oder der Comic "Touché" von ©TOM in der "taz".

In diese trostlose Situation hinein, kam es dann im Herbst 2000 zur großen Initialzündung für eigenproduzierte deutsche Comic-Strips. Denn im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse erschien "Der Exlibris" von Ulf K. – und das im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen"! Damit wurde der bis heute wohl prominenteste Veröffentlichungsplatz für Comic-Strips im deutschen Blätterwald erkämpft. Und es war von Anfang an klar, dass Comics hier ganz anders aussehen konnten und sollten als die sonst üblichen Gag-Strips. Der zuständige Redakteur Andreas Platthaus trug so durch seine Auswahl von Stoffen auch entscheidend zur Durchsetzung der Graphic Novels auf dem deutschen Comic-Markt bei.

Unvergessen sind etwa "Strizz" von Volker Reiche oder die Bibel-Comics von Ralf König, mit denen sich dieser ein völlig neues Themenfeld erschloss. Aber auch weitere große Künstler wie Flix oder Nicolas Mahler prägten über die Jahre diesen Comic-Platz. Gerade Mahler spielte hierbei höchst virtuos mit den Formatvorgaben, was dazu führte, dass er seine Comics für die Veröffentlichung als Graphic Novel noch einmal neu zeichnen musste, damit sie in das Buchformat passten. Denn schnell war es Usus, dass die FAZ-Comics anschließend bei so renommierten Häusern wie Rowohlt, Carlsen oder Suhrkamp als Buch nachgedruckt wurden.

Die Comic-Aktivitäten der FAZ ermunterten auch eine ganze Reihe von anderen Zeitungen, exklusiv für sich Comics zeichnen zu lassen. Auch die unter dem Motto "Vom Leben gezeichnet" gestalteten Comics im "Tagesspiegel", für die jungen Zeichnern gut die Hälfte der Rückseite der Wochenendbeilage seit vielen Jahren zur Verfügung steht, verdanken ihre Existenz diesem von der FAZ angestoßenen Revival der Zeitungs-Comics.

Leider mussten in der letzten Zeit viele interessante Comic-Projekte in den Zeitungen wieder aufgegeben werden, etwa in der "Financial Times Deutschland", die vergangenes Jahr eingestellt wurde, oder in der "Frankfurter Rundschau", die sich sogar an sechs Tagen die Woche einen eigenen Fortsetzungsstrip mit wechselnden Künstlern leistete, bevor das Blatt in schwere wirtschaftliche Turbulenzen geriet. Erst im Sommer stellte dann auch noch die "Stuttgarter Zeitung" ihren lang gedienten Strip "Zuckerfisch" von Naomi Fearn ein, der dort ebenfalls schon seit Dezember 2000 vertreten war, also kurz nach dem "Exlibris" in der FAZ an den Start ging.

Die aktuelle Entwicklung bei der "Frankfurter Allgemeinen" ist aber auch deshalb besonders bedauerlich, weil eigentlich geplant war, dass Ende der nächsten Woche auf Reinhard Kleist wieder Volker Reiche auf den Strip-Platz zurückkehrt. Der bei den FAZ-Lesern zweifellos immer noch beliebteste Zeichner hätte dann seine schmerzlich vermisste "Strizz"-Serie wiederbelebt.

Doch diese sicherlich viel umjubelte Rückkehr fällt jetzt aus. Es wird interessant sein zu beobachten, wie die Leser auf den Wegfall des Fortsetzungs-Comics in der FAZ reagieren. Denn für nicht wenige dürfte sich die Lektüre dieses Strips in den letzten eineinhalb Jahrzehnten zu einer lieb gewonnenen Gewohnheit entwickelt haben. Und in der Vergangenheit mussten Zeitungen – auch die "Frankfurter Allgemeine" – schon manchen Beschluss wieder rückgängig machen, der sich als besonders unpopulär erwies.

Unser Autor Martin Jurgeit ist Chefredakteur des Fachmagzins "Comix", Autor für den "Buchreport" und Ausstellungskurator. Derzeit ist in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen die von ihm betreute Ausstellung "Streich auf Streich - 150 Jahre deutschsprachige Comics seit Max und Moritz " zu sehen, mehr dazu hier.

Martin Jurgeit

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