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persepolis

© Prokino

Comic-Verfilmung: Schwarz. Weiß. Bunt.

Politik aus Kindersicht: Marjane Satrapi verfilmt in „Persepolis“ ihre Jugend zwischen Iran und Frankreich in Comicform. Wie geht Erwachsenwerden im Exil?

Farbe am Anfang des Films, und Farbe am Ende. Eine junge Frau am Flughafen Paris-Orly, am Abflugschalter nach Teheran streift sie ihr Kopftuch über. Warten in der Abfluglounge, Flugzeuge starten und landen vor den Fenstern, Mitreisende mustern die Kopftuchträgerin neugierig. Zeit vergeht, weitere Flugzeuge starten und landen, die Kopftuchträgerin bleibt sitzen, allein. Marjane Satrapi ist nicht nach Teheran zurückgeflogen, dorthin, wo ihre Familie auf sie wartet. Sie ist in Paris geblieben und hat vier Comics über ihre Lebensgeschichte geschrieben.

Die Rahmenhandlung ist die einzige Szene, die für die Verfilmung von „Persepolis“ neu erfunden wurde. Doch Flughafenszenen markieren auch in den Comics Satrapis die entscheidenden biografischen Momente. Der erste Aufbruch mit 14 nach Wien: Die Eltern schicken die Tochter ins Ausland, um sie vor dem strengen Mullah-Regime zu schützen, eine traumatische Trennung. Die Rückkehr nach Teheran vier Jahre später, in ein verwandeltes Land. Und die zweite Ausreise, diesmal nach Frankreich, zehn Jahre nach der ersten: der selbst gewählte Schritt der Befreiung nach Studium und Ehe. „Du sollst frei sein. Der heutige Iran ist nichts für dich“, gibt ihr die Mutter mit auf den Weg.

Freiheit ist das Grundthema

Freiheit ist das Grundthema des Films, der im Mai in Cannes mit dem Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Das Leben einer liberalen Großbürgerfamilie zu Schah-Zeiten – und die allgegenwärtige Überwachung, die der iranischen Revolution folgt. Die plötzliche Angst der Eltern, die Verhaftung des geliebten Onkels, Kopftuchzwang auf der Straße und in der Schule. Und mittendrin ein kleines Mädchen, Punkfan, Basketballspielerin, aufgeweckte Rebellin. Die große Politik aus Kindersicht: Das machte den Reiz von Satrapis Comic-Autobiografie aus, die weltweit zum Bestseller wurde. Auch in der Verfilmung hält sie den Ton.

Es ist ein Spiel mit starken Kontrasten. Das klar gesetzte Schwarz-Weiß funktioniert auch im bewegten Comic wunderbar. Schwarz-Weiß-Malerei im übertragenen Sinn allerdings liegt Satrapi fern. Sie wolle mit ihren Büchern helfen, Iran nicht nur als Land der Fanatiker zu verstehen, hat sie betont. Auch Jasmin Tabatabai, die für die deutsche Fassung die Hauptfigur spricht und wie Satrapi als Jugendliche aus dem Iran floh, rühmt die Exaktheit, mit der die Künstlerin die Atmosphäre treffe: Immer, wenn sie Freunden etwas über den Iran vermitteln wolle, empfehle sie Satrapis Comics.

Viel Bitterkeit, viel Humor

Über der kleinen Marji wachen zwei gute Geister. Ein freundlicher, langbärtiger Vatergott, mit dem sie nächtelang rechtet. Und die Großmutter, die ihr den Stolz auf das Heimatland vermittelt – und das Selbstbewusstsein einer modernen Frau. Kurz nach Satrapis Wegzug nach Frankreich starb die Großmutter, und die Enkelin konnte nicht einmal zur Beerdigung. „Die Freiheit hatte ihren Preis“, heißt es am Ende. Viel Bitterkeit grundiert diesen Film, bei allem Humor.

Delphi, Filmtheater am Friedrichshain, fsk (OmU), Kulturbrauerei und Rollberg

Christina Tilmann

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