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Generationsübergreifend: Der Zeichner Yoann verzaubert einen jungen Fan mit seiner Arbeit.

© Lars von Törne

Comicfestival München: Im Mehrgenerationenhaus

Robert Crumb und andere Comicveteranen trafen in München auf den Nachwuchs - als Inspiration wurde das jedoch nur in eine Richtung erlebt. Dennoch gab es einiges, das Alt und Jung zusammenbrachte.

Ein grauhaariger Grantler, dem alte und junge Verehrer huldigen. Ein fantastisches Dschungeltier aus den 1950er Jahren, über dessen bevorstehende Rückkehr sich Grundschüler und ihre Eltern gleichermaßen begeistert unterhalten. Ein Superheld aus den 1930ern, dessen aktuelle Hefte sich Fans allen Alters einstecken. Autoren wie Robert Crumb und Figuren wie das Marsipulami und Superman, so der Eindruck beim gestern beendeten Comicfestival München, scheinen keine Generationsgrenzen zu kennen.

Fünf Tage lang wurden sie und andere Klassiker der Kunstform gefeiert, rund 10 000 Besucher zählen die Organisatoren der größten deutschen Comicveranstaltung dieses Jahres. Dass dennoch im Mehrgenerationenhaus Comic nicht nur Harmonie herrscht, offenbarte sich bei näherem Hinsehen. Zwar erfreuten im zentralen Veranstaltungszentrum, dem Künstlerhaus unweit des Karlsplatzes, zahlreiche Autoren ein Publikum, das von Alter und Geschlecht her gemischter war, als man es bei reinen Sammlerbörsen kennt, die von Männern fortgeschrittenen Alters dominiert werden. Dennoch fühlten sich gerade jüngere Zeichner an den Rand gedrängt: Der den kleinen Verlagen und dem Nachwuchs zugedachte Saal im Alten Rathaus war weit entfernt vom Zentrum des Geschehens und zudem so gut versteckt, dass nur Eingeweihte den Weg zu jenen Künstlern fanden, die mit selbst verlegten Heften und Internetstrips für die Zukunft des Comics mindestens ebenso wichtig sind wie die Rückbesinnung auf die alten Helden. Einen kritischen Kommentar von unserem Autor Oliver Ristau zu dem Thema lesen Sie unter diesem Link.

Das Versöhnliche zwischen den Generationen und Genres überwog jedoch. Besonders deutlich machte das eine Ausstellung zu Ehren das bald 70-jährigen Robert Crumb. Der hat ab den später 1960er Jahren quasi im Alleingang mit seinen Comix genannten Egostrips die Kunstform revolutioniert und den Weg nicht nur für Künstler wie Art Spiegelman oder Chris Ware geebnet, sondern auch für eine Welle autobiografischer Comicexperimente. „Die Welt wäre um einige Grautöne ärmer“, schreibt der Berliner Zeichner Fil im Katalog zu einer im Münchner Amerikahaus noch bis zum 5. Juli zu sehenden Ausstellung. 80 Künstler ehren darin den Meister des Undergroundcomics (Katalog bei Edition 52). Die Liste der Beteiligten reicht von Koveteranen wie dem ebenfalls zum Festival angereisten 73-jährigen Gilbert Shelton („Freak Brothers“) bis hin zu vielversprechenden Nachwuchszeichnerinnen wie Johanna Baumann, Jahrgang 1986, die unter dem Künstlernamen schlogger ihren Alltag in witzigen Internetstrips aufarbeitet und auf dem Festival mit einem Preis für Comicblogs geehrt wurde.

Dass der Nachwuchs ein größeres Interesse an den Wegbereitern der Kunstform hat als umgekehrt, wurde bei einer Veranstaltung besonders schmerzlich klar. Da saßen Crumb, Shelton und ihr deutscher Verwandter im Geiste, Gerhard Seyfried, zusammen auf einer Bühne und hatten weder einander noch dem Publikum etwas zu sagen. Das hatte einiges mit der fehlenden Moderation des Abends zu tun – eine von leider vielen organisatorischen Pannen des Festivals – aber wohl mindestens ebenso viel mit dem Desinteresse der drei grauen Herren an der Gegenwart.

Die Zukunft fand derweil an anderen Orten statt. Unter anderem bei der Preisverleihung für die besten Independent- comics. Dort wurde ein Werk ausgezeichnet, das Tradition und Moderne auf höchst amüsante Weise verbindet: „Das UPgrade“, die turbulente Geschichte um einen DDR-Superhelden von Sascha Wüstefeld und Ulf S. Graupner. Auch die Hauptpreise des Festivals, „Peng!“ genannt, brachten Vergangenheit und Gegenwart zusammen. Einerseits wurde das auf historische Comics spezialisierte Heft „Die Sprechblase“ mit einem Preis für Comicberichterstattung geehrt, für den auch der Tagesspiegel nominiert gewesen war. Andererseits ging der Preis für den besten europäischen Comic an das Leser allen Alters bezaubernde Märchen „Hilda und der Mitternachtsriese“ des jungen britischen Zeichners und Autors Luke Pearson. Für den Mittzwanziger ist die Aufteilung in Alt und Jung eh hinfällig, wie er im Gespräch erzählt: Wenn er sich an den Zeichentisch setze, solle dabei ein Comic herauskommen, wie er ihn gern als Kind gelesen hätte – und zugleich will er sich als Erwachsener davon angeregt fühlen. Mit Künstlern wie ihm muss man sich um die Zukunft des Comics vorerst wenig Sorgen machen.

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