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Weiße Jungs bringen's nicht - zumindest nicht so.

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Comicserie „Deathstroke“: Unmöglicher Auftrag

Dieser Comic über einen Auftragskiller wäre nicht der Rede wert – böte er nicht Denkanstöße zu Waffenkontrolle, Rassismus und Selbstjustiz in den USA.

Christopher Priest, einer der wenigen afroamerikanischen Comicautoren, hatte aus seiner Sicht gute Gründe, sich mehrere Jahre vom Schreiben zurückzuziehen: Die Einsortierung als „schwarzer Autor“ führte dazu, dass er fast ausschließlich für die Ausgestaltung schwarzer Charaktere angefragt wurde. So bedeutet die zu Recht propagierte Forderung nach mehr Diversität in einer von weißen Künstlern überproportional dominierten Szene für ihn eine eingeschränkte Wahrnehmung seiner Fähigkeiten als Autor. Eben nur als tauglich für die Darstellung von Protagonisten mit gleicher Hautfarbe erachtet zu werden, ist ein Problem, dem ich mich bereits anhand der männlichen Autorenschaft von „Spider-Woman“ widmete.

Als DC-Comics Priest dann den Söldner „Deathstroke“ anbot, stimmte er letztlich deswegen zu, weil die Figur nicht schwarz ist.

Die Serie um den ursprünglich von Marv Wolfman und George Perez für die Superhelden-Reihe „Teen Titans“ erdachten Gegner startete vergangenes Jahr in den USA neu und wird zeitnah vom Panini-Verlag in Deutschland veröffentlicht. Mitgestaltet von diversen Künstlern wie unter anderem Cary Nord, bietet er durchschnittliche Unterhaltung in gewohnt glatter Ästhetik um einen Auftragskiller, bei dem die gewöhnlichen moralischen Standards der Superhelden nicht so recht greifen wollen, und der mit Vigilanten wie dem „Punisher“ oder „Wild Dog“ sicherlich eine Selbstjustizhilfegruppe aus der Taufe heben könnte.

Malen nach Zahlen

Eingestreute Dialogzeilen wie „5.007 Sinti und Lalleri wurden 1942 aus Österreich nach Chelmno ins Vernichtungslager gebracht. Die Roma sind vergast worden. Zehntausende wurden von den Nazis ermordet“ zeugen von dem Versuch, reale und geschichtlich verbürgte Ereignisse in die actionlastige Handlung von „Deathstroke“ einzubinden. So ehrenwert – gerade in einer Gegenwart, in welcher die Leugnung der von Deutschen begangenen Morde an Juden mittlerweile bis in den deutschen Bundestag Einzug finden soll – und vielleicht auch notwendig dieses Unterfangen Priests ist, wirkt es im vorgefundenen Kontext doch eher aufgepfropft.

Zahlen aus der "Chicago Tribune", im Gegensatz zum Original fehlt hier jedoch der Hinweis auf deren Herkunft.
Zahlen aus der "Chicago Tribune", im Gegensatz zum Original fehlt hier jedoch der Hinweis auf deren Herkunft.

© Panini

Dass der Autor die stimmige Einbindung gewichtiger Inhalte viel besser beherrscht, als an dem erwähnten Beispiel ansichtig wird, beweist er im gleichfalls in diesem Sammelband enthaltenen herausragenden elften Heft der Reihe, betitelt „Chicago“. Hier fließen schon auf der Eröffnungsseite Zahlen von Todesopfern in den Dialog zwischen Reporter Jack Ryder und dem in einer Schießerei ermittelnden Polizisten ein, jedoch fungieren diese als Grundlage der Handlung. Belegt werden die genannte Anzahl der Morde und Schießereien durch Angaben aus der „Chicago Tribune“. Dieses Eröffnungsszenario wiederum findet Eingang in den ersten Absatz des Interviews mit Christopher Priest von selbiger Zeitung, in dem allerdings ausgerechnet der Reporter und somit Quasi-Tribune-Kollege Ryder, dessen Alter Ego zudem der manische und Verbrecher jagende Kobold „Creeper“ ist, fälschlicherweise als zweiter Ermittler ausgewiesen wird.

Vielleicht ist an derartiger Ablenkung das weniger geglättet und expressiv wirkende Artwork von Denys Cowan und Bill Sienkiewicz Schuld, welches nicht nur Reminiszenzen an deren kürzlich entworfenes Filmplakat für Ballerkalle und Deathstrokes Söldnerbruder im Geiste „John Wick“ aufweist, sondern, und da wären wir wieder beim Anteil afroamerikanischer Beteiligter im Comic-Geschäft, mit Cowan einen zweiten nicht-weißen Künstler ins Spiel bringt.

Kein unwichtiges Detail in einer Story, in der Teile der afroamerikanischen Gemeinschaft Chicagos verdächtigt werden, zur Eliminierung ebenfalls afroamerikanischer Krimineller den weißen Auftragskiller Deathstroke angeheuert zu haben. Was wiederum eine Wendung der Handlung ist, der sich ein rein weißes Künstlerteam vermutlich nicht allzu gern gewidmet haben dürfte.

... und hier die Originalseite mit Quellenangabe.
... und hier die Originalseite mit Quellenangabe.

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Hier nutzt Priest das von ihm als Nachteil empfundene Schubladendenken zu seinem eigenen Vorteil und als einen weiteren Spannung durch Kontroverse generierenden Faktor, denn er dürfte populistischer Stimmungsmache gegenüber Chicagos afroamerikanischer Community eher unverdächtig sein, und kommt so mit dem in Betracht ziehen von Gangster-Rap als einen der Mitverantwortung tragenden Faktoren für die Beförderung schwarzer Jugend- und Bandenkriminalität und der positiven Erwähnung weißer Polizisten durch. Zudem ist das schwarz-weiße Gespann aus Cowan und Sienkiewicz durch seine Meriten zum Beispiel bei der Gestaltung der „Question“-Titelbilder ein langjährig etabliertes und eingeführtes Team, dem man nicht so leichtfertig ans Bein pinkeln würde, was einen durchaus konsolidierenden Effekt im Rahmen einer kontroversen Thematik haben kann.

Januskopfzerbrechen auf der Zielgeraden

Doch zurück zu der Geschichte, die auf die Äußerung des US-Präsidenten Donald Trump, bewaffnete Truppen in ein von der Kriminalität in überdurchschnittlich hohem Maße geplagtes Chicago schicken zu wollen, mit der vermeintlichen Entsendung des überaus versierten Killers Deathstroke reagiert und so Trumps kindliche Machtfantasien bis aufs Allerblutigste und in einer dem düsteren Szenario angemessenen Farbgebung seitens Jeromy Cox' durchspielt.

Das Titelbild der besprochenen Ausgabe.
Das Titelbild der besprochenen Ausgabe.

© Panini

Dabei kommt der Wahl des Creepers als Jäger von Deathstroke besondere Bedeutung zu: Beider Entstehungsgeschichten weisen Übereinstimmungen auf, insbesondere sind die Fähigkeiten der Figuren recht ähnlicher Natur. Neben der Aufschlüsselung der am Anfang untersuchten Schießerei, bei der nichts so ist, wie es sich zuerst auf Grund sich verselbstständigender rassistischer Klischees darstellt, ist die Nutzung der Creeper-Figur ein weiterer Anstoß zu einem genaueren Hinsehen auf die Entstehungsprozesse derartiger Zustände, wie sie gegenwärtig in Chicago vorherrschen. Deren janusköpfige Bedingungen werden durch die Fratze des Creepers und Deathstrokes Maske, die durch einen Imitator noch zusätzliche Aufladung erfährt, versinnbildlicht.

Bei den dabei kontrovers aufgeworfenen Fragen nach der Verantwortung aller Beteiligten begnügt Priest sich nicht mit einfachen Antworten.

Die Antwort jedoch auf Jack Ryders an Deathstroke am Ende der Geschichte gerichtete Frage nach einer Lösung für das epidemische Problem der Waffengewalt in Chicago lautet: „Besser zielen.“ Auf wen und mit was genau, bleibt der Fantasie der Leser überlassen. Und Donald Trump.

Christopher Priest u.a., Deathstroke 3: Kriegsverbrecher, Panini, 116 Seiten, 12,99 Euro. Kürzlich ist auch Band 4 erschienen (ebenfalls 116 Seiten und 12,99 Euro).

Eher geglättetes Artwork der anderen Mitstreiter Priests.
Eher geglättetes Artwork der anderen Mitstreiter Priests.

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