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Explosive Mischung. "Exterminators" führt Kreaturen vor, die uns Grzimeks Tierleben vorenthalten hat.

© Promo

Comicserie: Schaben des Schreckens

Frisch, bösartig, gut erzählt: Der Kammerjäger-Schocker „Exterminators“ ist so grotesk wie unterhaltsam.

Von den Käfern, die auszogen, dem Menschen das Fürchten zu lehren, so könnte eine mögliche Deutung der wundervoll galligen, hinterhältigen, schlechtgelaunten und erfrischend anderen Tour de force des Duos Simon Oliver (Storyboarding) und Tony Moore (Zeichnungen) lauten. Sterilen Superheldenquark sucht man hier vergeblich, hier ist alles voller Biomasse, hier und da etwas menschliches Aas, stinkende Extremente und der ein oder andere Chininpanzer stimmt unter den Füßen der Protagonisten knackend sein ganz eigenes „La Cucaracha“ an.

Die Gegenspieler dieser Serie sind keine barttragenden Übeltäter aus den Rekrutierungsbüros inoffizieller Wüstenarmeen oder Erzschurken mit ausgeprägten psychischen Kräften - nein, es sind Schaben und Kakerlaken. Diese putzige, kleine und kosmopolitische Kreatur ist zwar als das schnellste Insekt der Welt bekannt, aber bislang noch nicht als Bedrohungslage augenscheinlich geworden. Dies soll sich aber nun ändern. Frei nach dem Motto „Ihr tötet zehn unserer Männer und wir töten einen von euch, doch ihr seid es, die der Sache am Ende müde werden“ (Ho Chi Minh) wirft die Schädlingsarmee Abertausende von Soldaten aufs Feld. Mit ihrer opferbereiten Konsequenz und der beschleunigten Reproduktionsleistung dieser Mutantenkrabblern sorgen sie dafür, dass ihre Gegnerschaft schnell am Ende ist mit ihrem Kammerjägerlatein.

Die Krabbler organisieren sich

Auf der anderen Seite des Rings finden wir eine Horde sozial deklassierter und seltsamer Figuren, die Tag für Tag Gebäude im Auftrag der Firma „Bug-Bee-Gone“ vom Schädlingsbefall befreien sollen. 

Dass nun der ein oder andere dieser Jäger auch mal an den Chemikalien des Arbeitgebers nascht und sich diese intravenös verabreicht, sollte den aufmerksamen Burroughs-Leser nicht weiter überraschen. Werten wir es mal als augenzwinkerndes Zitat und unaufdringliche Hommage.

Welche Folgen der blinde Glaube an die Reinigungskräfte der chemischen Keulen haben kann zeigt sich hier. Denn - die zu bekämpfende Brut labt sich an einer Substanz, welche als kopernikanische Wende in der Schädlingsbekämpfung eingeführt wird, dem zahnpastablauen Draxx. Die kleinen, flinken Krabbler sind nicht nur immun geworden gegen die Substanz, nein sie werden widerstandsfähiger, reproduktionsfreudiger und zu allem Übel beginnen sie sich auch zu organisieren!

Ein hilfloser Abwehrkampf

Betrachtet man mal kurz den Fakt, dass auf dem Bikini-Atoll nach einem oberirdischen Atombombentest, noch freudig herumschwirrende Schaben entdeckt wurde, kann man sich in etwa ausmalen, welch ungezähmte Natur einer Mutantenschabe innewohnt.  Summa summarum ohnehin schon ein grandioses Setting, aber die Zeichnungen von Moore, dessen brillante Arbeit auch für den großen Erfolg seiner zweiten Serie („The Walking Dead") verantwortlich ist und der zu Recht für einen Eisner Award nominiert war, geben der Geschichte einen ganz speziellen Drift und eine Dynamik, der man sich nur schwer entziehen kann.

Kombiniert man diesen Vorzug noch mit dem erquicklich scharfen und galligen Humor der Serie, der weder Political-Correctness-Beschränkungen, noch eine Milderung der groben Stereotypenabfahrt hinnimmt, fügen sich die Teile zu einem großzügig bemessenen Giftcocktail zusammen, der sich gewaschen hat. Der hilflose Abwehrkampf der Bug-Bee-Gone-Belegschaft, an der Grenzlinie zwischen Mensch und Natur, wird noch mit einigen garstigen Storyfäden garniert bei denen literarische Nutten, untote Exmitarbeiter, wohlfeile Skarabäenmotive, völlig überzeichnender Sektenirrsinn, übersexualisierte Konzernmitarbeiterinnen und eben der geheime Plan der omnipräsente Ocran Industries, eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Klingt krank? Aber sicher!

Das Storyboarding überzeugt durch seine hervorragende Qualität, die immer wieder überraschende Wendungen und ins Groteske übersteigerte Figurenentwicklungen auf den Seiten entfaltet.

Seit langem mal wieder eine Serie, die richtig frisch, richtig bösartig und vor allem richtig gut erzählt ist. Wir wollen hoffen, dass Panini nach der Veröffentlichung der ersten beiden Bände, die fünfteilige Serie fix komplett übersetzt. Wer einen gesunden Magen und einen kranken Humor hat, wer auf zu Ende gedachte Weltuntergangsszenarien der anderen Art und auf zynische One-Liner in hoher Dichte steht, der ist hier richtig.

Simon Oliver und Tony Moore: Exterminators, bislang zwei Bände auf Deutsch bei Panini, je 132 Seiten 14,95/16,95 Euro, mehr unter diesem Link.

Mehr von unserem Autor Markus Dewes finden Sie auf seinem Blog derdigitaleflaneur.blogspot.com, mehr seiner Beiträge für den Tagesspiegel gibt es unter diesem Link.

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