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Junkies, Loser, Freaks: Für Männer hat die Hauptfigur kein gutes Händchen.

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Coming-of-Age-Comic: Megan in den Städten

Das Episoden-Drama „Local“ ist eine Ode an die Irrungen und Wirrungen der Jugend. Jetzt gibt es Brian Woods Zwölfteiler auf Deutsch.

Generation-X-Erfinder Douglas Coupland hat es mal den Mid-Twenties Breakdown genannt: Die Unfähigkeit vieler junger Erwachsener, außerhalb des elterlichen Hauses und der Uni zu funktionieren. Vielleicht ist es das, woran Megan McKeenan leidet. Die junge Frau ist die Hauptfigur in Brian Woods Erzählung „Local“, die zwischen 2005 und 2008 in den USA in zwölf Heften erschien und jetzt als opulenter Sammelband mit zahlreichen Anmerkungen seiner Schöpfer erstmals auch auf Deutsch erhältlich ist.

Es ist die Geschichte einer Odyssee durch Nordamerika, die für die Hauptfigur halb Flucht vor und halb Suche nach sich selbst ist: In jedem Kapitel versucht Megan, in einer anderen Stadt, Fuß zu fassen und sich ein eigenes Leben aufzubauen – von Portland, Oregon über New York bis ins kanadische Toronto. Sie knüpft lose, oft nicht gut endende Beziehungen zu anderen Menschen, und bevor sie wirklich Wurzeln schlagen kann, hat sie schon wieder den Rucksack gepackt und ist auf dem Weg in eine neue Stadt, wo sie keiner kennt.

Nach und nach entwickelt der Leser eine Beziehung zu dieser spröden, ruhelosen Frau. Das Besondere: Von Kapitel zu Kapitel altert sie ein Jahr, sodass man ihr beim Erwachsenwerden zuschauen kann. Weiser oder gar ruhiger wird sie dadurch allerdings lange nicht.

Männer? Fehlgriffe

Ryan Kellys Zeichnungen verbinden akribisch recherchierte, realistische Kulissen mit leicht überzeichneten Figuren und einem coolen, an Street Art erinnernden Look – eine kongeniale Ästhetik für die episodenhafte, mit Andeutungen, überraschenden Perspektivwechseln und Phantasie-Elementen arbeitende Erzählweise Woods.

Polaroid-Lover: Eine Seite aus dem Buch.
Polaroid-Lover: Eine Seite aus dem Buch.

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Der Autor, der sich mit epischen Dramen wie der vom Irak-Krieg inspirierten New-York-Serie „DMZ“ und dem Wikinger-Krimi „Northlanders“ einen Namen als begnadeter Erzähler gemacht hat, zeigt auch in diesem Werk ein großes Einfühlungsvermögen und Talent für Dialoge. Manche Figuren, denen Megan auf ihrer Reise begegnet, bleiben allerdings zu oberflächlich skizziert und machen es nicht immer leicht, sich emotional auf die Story einzulassen.

Dazu trägt auch die beziehungsunfähige Hauptfigur bei, deren Motive man oft nur erahnen kann und der man erst im Lauf der Kapitel wirklich nahe kommt. Dabei bleibt bis zum Schluss oft unklar, wer in den zahlreichen erfolglosen Beziehungsversuchen in ihrem Leben das größere Problem hat: Die junge Frau, die sich nie wirklich auf andere Menschen einlassen kann, oder ihre – meist männlichen – Weggefährten, von denen sich fast jeder früher oder später als Fehlgriff erweist.

Ein gezeichnetes Road Movie

Eine fast ebenso wichtige Rolle wie die Nebenfiguren spielen in „Local“ die Städte, durch die sich Megan treiben lässt. Voller Lokalkolorit und akribisch bis ins letzte architektonische Detail hat Kelly in seinen Bildern die Orte der Handlung  rekonstruiert – ein gezeichnetes Road Movie, bei dem Leser mit Nordamerika-Erfahrung viele vertraute Ecken zwischen Atlantik und Pazifik wiederentdecken können.

Nach und nach erwächst vor dieser Kulisse das vielschichtige Bild einer Frau, der das Leben viele Möglichkeiten geschenkt hat, die damit aber erst nach vielen Jahren der Ziellosigkeit etwas anzufangen weiß. Als sie mit Ende 20 in das Haus ihrer verstorbenen Mutter zurückkehrt, scheint sie zum ersten Mal zur Ruhe zu kommen – was sie von da an aus ihrem Leben macht, ist der Phantasie die Lesers überlassen.

Ein anrührendes Buch, das Leser jenseits der Zwanzig daran erinnern mag, was man in jener Lebensphase einst selbst an rückblickend nicht immer sinnvoll erscheinenden Dingen verzapft hat – und eine bewegende Würdigung jenes trotz aller Orientierungsprobleme großartigen Gefühls, das ganze erwachsene Leben erst noch vor sich zu haben.

Brian Wood und Ryan Kelly: Local, Eidalon, 400 großformatige Seiten, 36 Euro.  

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