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Bärendienst: Reed Gunther und sein pelziger Gefährte Sterling im Einsatz auf einer Doppelseite.

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Cowboy-Comic: Der auf dem Bären reitet

Dank der Comicserie „Reed Gunther“ sind die Legenden des Wilden Westens um eine im wahrsten Sinne des Wortes tierische Konstellation reicher. Jetzt ist der zweite Sammelband erschienen.

Im Moment feiert der ziemlich schräge 70er-Jahre-Western „Buffalo Rider“ im Netz sein Revival, und John Freeman dreht überraschenderweise eine weitere Runde auf seinem Büffel (und ja, die neuen Musik-Clips sind wesentlich besser als der Originalfilm von 1978, der ebenfalls schon eine Weile durchs Web kursiert). Da trifft es sich gut, dass nun die ersten zwei Sammelbände der flotten Weird-Western-Comicserie „Reed Gunther“ der Brüder Shane und Chris Houghton in den USA erschienen sind, in der sich alles um einen Cowboy dreht, der auf einem Bären durch den Wilden Westen reitet – und im ersten Storybogen obendrein auf Monsterjagd geht.

2007 galoppierte Reed Gunther erstmals auf seinem pelzigen Gefährten Sterling durch die Comic-Welt, als Chris Houghton die beiden für zwei Ausgaben der Independent-Anthologie-Reihe „Comics Obscura“ ins Rennen schickte – noch ohne seinen Bruder als Autor, und letztlich auch ohne Happy End und Perspektive, da der Comic sich noch „ganz anders anfühlte ohne Shane“, wie Chris Houghton in einem Interview sagt, und zudem keinen echten Abschluss hatte, musste „Comics Obscura“ doch frühzeitig die Segel streichen.

Das hätte freilich bereits das Ende der Geschichte des Cowboys sein können, der mit dem Bären spricht und den Bären reitet (und sich gelegentlich auch einen Bären aufbinden lässt und der Welt den einen oder anderen Bärendienst erweist). Shane Houghton war jedoch äußerst angetan von den Figuren seines Bruders und schenkte diesem ein Script für ein komplettes Heft mit Reed und Sterling. So half er enorm bei der Weiterentwicklung des Duos und seiner Abenteuer, die einen neuen Look und einen humorvolleren Grundton bekamen. Außerdem lieferte er letztlich schon die Story für das erste Heft der künftigen Solo-Serie, in dem der fluchtfreudige Cowboy und sein bäriger Freund eingeführt werden und eine Viehherde vor einer Riesenklapperschlange beschützen müssen, was wesentlich banaler und unlustiger klingt, als es das am Ende tatsächlich ist.

Monster drohen den Wilden Westen zu überrennen

Schließlich debütierte „Reed Gunther“ im Sommer 2011 beim amerikanischen image-Verlag, der zu dieser Zeit einigen interessanten Nicht-Superhelden-Titeln eine Chance auf dem übersättigten US-Markt gegeben hat. Die Houghtons und ihre Helden haben diese Chance einstweilen genutzt. Inzwischen gehören Stan Sakai („Usagi Yojimbo“), Guy Davis („B.U.A.P.“) und John Layman („Chew“) zu den prominentesten Fans des Cowboy-Bär-Tandems, das von einem Schlamassel in den nächsten rutscht. Und das hat natürlich seine Gründe.

Raue Sitten: Eine Szene aus der Reihe.
Raue Sitten: Eine Szene aus der Reihe.

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Das Geheimnis von „Reed Gunther“ sind eine dauerhafte Leichtigkeit und eine anhaltende Kombinationsfreunde, die auch über die Verbindung der beiden Titelhelden hinaus geht. In den ersten Kapiteln des Comedy-Weird-Westerns ziehen Reed und Sterling so etwa gegen eine Vielzahl Monster, die den Westen zu überrennen drohen, falls es Reed nicht gelingen sollte, das für den Aufmarsch der Gruselgestalten verantwortliche Totem wieder in die Versenkung zu verbannen, aus der Reed es – wie es nun mal seine Art ist – zuvor versehentlich befreit hat. Dabei verschlägt es Kuhtreiber und Meister Petz sogar nach New York, das im Schatten von Zivilisation und Freiheitsstatuen-Baustelle kein leichtes Pflaster für einen echten Cowboy und seinen Bären ist, erst recht nicht, wenn eine schöne Frau, ein fieser Schurke, ein knallharter Special Agent der US-Regierung und eben zahlreiche Monster mit viel zu vielen Tentakeln, Augen, Zangen und Zähnen im Spiel sind.

Hi-Yo, Sterling!

Chris Houghton, der auch schon für das „MAD Magazine“ und die Comics zu „Kung Fu Panda“ den Zeichenstift geschwungen hat, sorgt mit seinem lässigen Artwork dafür, dass die nötige Flapsigkeit nicht nur in Story und Dialogen zu finden ist. Ernste, trockene Comic-Western gab und gibt es ja genug – einen guten andersartigen und humorvollen Western lieferte in den letzten Jahren eigentlich nur „The Goon“-Schöpfer Eric Powell mit seinem Kumpel Kyle Hotz ab, die Billy the Kid mit einer Freakshow zusammensteckten und gegen die überlangen Schatten von Frankenstein und Jack the Ripper antreten ließen.

Überraschungserfolg: Die ersten beiden Sammelbände.
Überraschungserfolg: Die ersten beiden Sammelbände.

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Auf diese Düsternis verzichtet „Reed Gunther“ trotz aller Scheusale fast komplett und präsentiert sich als ein richtiger Gute-Laune-Comic mit viel Witz und Charme und Vorwärtsdrang, der sich selbst vor allem nie allzu ernst nimmt. Und neben den Monstern, von denen die Brüder Houghton so viele schufen, dass für manche in der Geschichte selbst kein Platz mehr war und sie nur auf den Sketchbook-Seiten im Anhang des ersten Trades zu einem Auftritt kommen, hat „Reed Gunther“ am Ende eben auch immer einen Cowboy, der auf einem Bären reitet, der zudem noch sein bester Freund ist – eine verdammt einprägsame Kombination, die Silver und Jolly Jumper durchaus Konkurrenz macht.

Wer war der maskierte Mann? Diese Frage stellt sich ausnahmsweise nicht, wenn die Sonne hinter der Prärie versinkt und der Cowboy auf seinem getreuen Reittier zu einem abspannwürdigen Schattenriss wird. Viel mehr muss die Frage lauten: Wer war der Mann mit dem Bären? Hi-Yo, Sterling!

Shane & Chris Houghton: Reed Gunther, bislang zwei Sammelbände auf Englisch, je rund 180  Seiten, image-Verlag, online für rund 13 Euro je Band zu bekommen.

Der Blog unseres Autors Christian Endres findet sich hier: www.christianendres.de.

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