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Leben in Schichten: Ein Auszug aus "Das Hochhaus".

© Promo

„Das Hochhaus“: Querschnitt der Gesellschaft

Katharina Greves Webcomic „Das Hochhaus“ gibt es jetzt auch in Buchform - und als sieben Meter lange Buchrolle.

Als Webcomic gestartet ermöglichte „Das Hochhaus“ von Katharina Greve („Eigentlich ist Wurst umgestülptes Tier“, „Hotel Hades“) knapp zwei Jahre lange jede Woche den Blick in ein neues Wohnzimmer und damit hinter die Fassade eines neuen Lebens. Nun ist das Projekt abgeschlossen und beim Avant-Verlag in Buchform erschienen. Präsentiert sich der Comic in seiner ursprünglichen Publikationsform eher als riesiges Einzelbild, das man durch Scrollen nach und nach erfasst, wirkt es zwischen zwei Buchdeckeln dagegen eher so, als hätte jemand 102 kurze Strips übereinander gestapelt.

Zudem gibt es noch eine weitere gedruckte Ausgabe von Greves Arbeit: Der Berliner Verlag Round not Square hat „Das Hochhaus“ jetzt als sieben Meter lange und 20 Zentimeter breite Buchrolle veröffentlicht - ein Format, das der ursprünglichen Web-Struktur sehr nahe kommt, auch wenn das Lesen der Rolle gewöhnungsbedürftig ist.

Wände und Decken als Panelgrenzen

In der Buchausgabe passen jeweils vier dieser „Strips“, die wiederum aus jeweils drei Bildern bestehen, auf eine Doppelseite. Das Umblättern sorgt im Gegensatz zum Scrollen für regelmäßige Brüche. Doch eigentlich ist die Bezeichnung „Comicstrip“ hier nicht wirklich passend. Wände und Decken des Hauses bilden Grenzen, die auf den ersten Blick wie Panelgrenzen wirken. Beim Lesen bzw. Betrachten nimmt man jedoch eher ein zusammenhängendes Bild wahr, auf dem man einen Einblick in Küche, Flur und Wohnzimmer auf jeder Etage des Hauses bekommt.

Von der Rolle: "Das Hochhaus" in der 20-Meter-Version.
Von der Rolle: "Das Hochhaus" in der 20-Meter-Version.

© Round not Square

Und dieser Eindruck spiegelt auch viel besser die Tatsache, dass es sich bei den Einblicken in die Wohnungen um Momentaufnahmen aus dem Leben ihrer Bewohner handelt. Auch wenn man die drei Zimmer in der für das Comiclesen typischen Reihenfolge von links nach rechts betrachtet, man hat es hier nicht mit einer sequentiellen Abfolge zu tun. Auch die pointierte Komik entfaltet sich eher aus dem Bild als Einheit.

Voyeur mit dem Fernglas

Man könnte vielleicht sagen, Katharina Greve platziert den Betrachter ihres Hochhauses im Gebäude gegenüber und stattet ihn mit einem Fernglas aus. Auf diese Weise macht sie ihn zum heimlichen Beobachter der Bewohner. Dieser voyeuristische Blick ist jedoch kein dauerhaftes Beobachten, sondern eben eine Momentaufnahme. Der Blick verweilt gerade lange genug, um einen kurzen Dialog zu belauschen. Und das ist genau das Spannende an diesem Projekt. Die Zeichnerin hat das, was man in diesem einen Moment durch das Fernglas beobachten kann, in eine Zeichnung gebannt und ermöglicht dem Leser so, ein und denselben Moment 102 Mal zu erleben.

Fertig gebaut. Das Buchcover.
Fertig gebaut. Das Buchcover.

© Avant

Als Betrachter des Comics nimmt man gleichzeitiges Geschehen nacheinander wahr und diese Spannung zwischen Gleichzeitigkeit auf der einen Seite und sequentiellem Wahrnehmen auf der anderen Seite ist beim Lesen immer präsent. Sie zeigt sich im Kleinen beim Erfassen der einzelnen Etage, wenn die Augen von der Küche über den Flur zum Wohnzimmer wandern und man dann doch den Querschnitt der Wohnung als Ganzes wahrnimmt. Im Großen zeigt sie sich in der Tatsache, dass der Comic ein riesiger Querschnitt durch das gesamte Haus ist, den man jedoch als Ganzes nur schwer wahrnehmen kann und daher beim Lesen in einzelne Sequenzen einteilt.

Katharina Greve hat damit die Mittel der Erzählform Comic wunderbar ausgeschöpft. Das alleine bereitet schon großes Lesevergnügen. Hinzu kommt die Tatsache, dass man vielleicht in manchen der Bewohner die eigenen Nachbarn oder gar sich selbst wiedererkennt.

Katharina Greve: Das Hochhaus, online unter diesem Link. Als Buch bei Avant, 56 Seiten, 20 Euro. Als Buchrolle bei Round not Square, 7 Meter x 20 Zentimeter, 27 Euro.

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