zum Hauptinhalt
Verschrobene Charaktere: Eine Szene aus dem aktuellen Band.

© Edition Moderne

„Der Baum ist köstlich, Graf Zeppelin" von Katz und Goldt: Scharf, aber menschenfreundlich

Was darf, was kann Satire? Das wird nach den Anschlägen von Paris besonders intensiv diskutiert. Das Duo Katz und Goldt beantwortet die Frage auf ganz eigene Weise, wie sein aktuelles Buch zeigt.

Wenn Kleist-Preisträger Max Goldt gefragt wird, wann er denn endlich seinen großen deutschen Gegenwartsroman schreibt, könnte er wie Lou Reed antworten, dass man doch nur seine kurzen Texte aneinanderreihen müsse. Zu seinen in zahlreichen Bänden erschienenen Prosatexten (zuletzt: „Chefinnen in bodenlangen Jeansröcken“) müssen unbedingt auch die Songtexte (Foyer des Arts) und die zusammen mit dem Zeichner Stephan Katz seit 1996 in gleichbleibend hoher Qualität vorgelegten, unverwechselbaren Comics gezählt werden.

Anders als in seiner Prosa, wo Goldts Kunst der genauen Beobachtung und feinsinnigen Formulierung manches Mal misanthropisch ins Benimmlehrerhafte schwappt (Goldt würde vermutlich fragen: Kann Kunst schwappen?), überwiegt im Abstrusitätenkabinett der meist kurzen Comics ein sonderbarer Humor, der auch wenn er scharf ist stets menschenfreundlich bleibt, wie der aktuelle Sammelband „Der Baum ist köstlich, Graf Zeppelin“ erneut zeigt.

Dies ist wohl nicht zuletzt das Verdienst von Katz, der vor seinen meist kunterbunten Hintergründen Figuren auftreten lässt, die auch dann noch niedlich wirken, wenn sie schrecklich sind oder Schreckliches tun und sagen. Mit diebischer Freude an kulturellen und subkulturellen Merkwürdigkeiten und mit viel Liebe zum sprachlichen und optischen Detail werden verschrobene, aber glaubwürdige Protagonisten in meist ungewöhnlichen Situationen aufeinander losgelassen: So lauert dem bärtigen Hipster mit Dandy-Ambitionen in den Straßen von Berlin eine Art bartscherender Gegenhipster auf, und die freundliche Lesbe bekommt ebendort Grammatikunterricht von zwei ebenso freundlichen Jungs.

Goldig: Das Cover das aktuellen Albums.
Goldig: Das Cover das aktuellen Albums.

© Edition Moderne

Die vieldeutigen Vignetten von maximal zwei Seiten inspirieren zu allerlei Assoziationen zu gesellschaftlichen, kulturellen und auch politischen Phänomenen und Diskursen. Zum Glück kommt die „pointierte verbale Abstrusität“, welche Andreas Platthaus in einem für das Goethe-Institut verfassten Text zu Recht als ein Markenzeichen von Katz und Goldt ausmacht, vollkommen ohne Pointenzwang aus – die vermutlich gewünschte Reaktion beim Leser ist eher eine Art wissendes Schmunzeln als ein herzhaftes Lachen. Oder gerne auch eine gewisse Verstörung ob des „vernünftigen Unsinns“, wie es Christian Gasser in der NZZ nannte, mit welchem das Duo infernale unbestechlich sein Motto („The duo that does what duos should do“) erfüllt.

Die kleine Zeichenstunde von Katz mit an Helge Schneider angelehnten Kommentaren von Max Goldt gibt keinen Einblick in den Arbeitsprozess von Katz + Goldt, durchaus aber in ihre Denkweise (und ihren Geisteszustand), ähnlich wie es schon beim gegenseitigen Interview von Goldt und Gerd Pasemann von Foyer des Arts der Fall war.

Warum schreibt Max Goldt seit zwei Jahren kaum noch neue Texte, fragte Lars Weisbrod in der Zeit. Will er nur noch Comics machen – die aber keineswegs „unverständlich“ sind, wie Weisbrod unterstellt – und Lesungen seiner alten Texte? Oder sitzt er doch am großen deutschen Gegenwartsroman?

Katz und Goldt: Der Baum ist köstlich, Graf Zeppelin, Edition Moderne, 88 Seiten, 24 Euro

Thomas Greven

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false