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Der Tagesspiegel-Fragebogen (7): 15 Fragen an - Schwarwel

In einer Sommerserie haben wir Comicschaffenden je 15 Fragen gestellt - zu ihrer Arbeit, zu ihren Vorbildern und zur Lage der Comic-Nation. Heute: der Leipziger Autor und Zeichner Schwarwel.

1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?

Die Idee. Manchmal ist es ein Bildwitz, manchmal ein Wortwitz, manchmal einfach ein gut aussehendes Image. Da ich neben Comicstrips und Stories vor allem Karikaturen und Illustrationen mache, kann ich die Ideen auf die verschiedenen Disziplinen verteilen. Mein Skizzenbuch sammelt das alles ungeordnet für mich.

2. Hören Sie beim Zeichnen Musik und wie beeinflusst Sie das?

Teils-teils. Früher habe ich ausschließlich mit Musik gearbeitet, inzwischen ist es mir jedoch egal, da ich mich beim Machen „in the zone“ befinde, wie es so schön beim Football heißt. Wenn ich es mal richtig eilig habe, höre ich Slayer oder Thermals, bei Illustrationen, die spielerischer werden sollen, darf’s schon mal Beethoven oder Mozart sein. Ramones kann ich jedoch immer hören - die sind ein unerschöpflicher Quell für mich und geben mir immer Energie. Fanboy eben.

3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?

Kaffee steht immer da, obwohl er meistens erkaltet. Essen gönne ich mir eher als Belohnung, wenn das Digitalisieren abgeschlossen ist. Dann gibt’s Erdnussbutter-Sandwiches mit Himbeermarmelade und Senf.

4. Angenommen, Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?

Keine. Lieber rette ich meine Familie inklusive Hund, Leguane und die Fische – obwohl’s bei den Fischen echt schwierig wird... Sachen sind ersetzbar.

5. Welche Zeichner/Autoren waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?

Uuuh, sehr, sehr viele, da ich viel und gern lese und viel aufgesaugt habe. Bei Comics als unvollständige Aufzählung ohne Wertigkeit: Franquin, Goscinny/Uderzo, Kirby/Lee, Corben, Burns, Moebius, Wrightson, Bisley, Segar, Edíka, Seyfried, Fil,  Aragónes, Don Martin, Mosaik, Fix & Foxi, Mignola, Buscema, Charles M. Schulz… die Liste lässt sich ewig fortsetzen. Und daneben gibt’s die Listen mit Karikaturisten, Illustratoren, Malern, Buchautoren, Regisseuren…

6. Welches Comic-Buch/Heft/Album würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?

Maus.

7. Glauben Sie, dass dem Comic die Aufmerksamkeit zuteil wird, die er verdient?

In Deutschland nein, auf keinen Fall. Allerdings fehlen echte Konzepte, um dieses tolle Medium in den Mainstream zu hieven, wo er hingehört. Und es fehlt das Geld, um Ideen, die existieren, umzusetzen. (Bspw. bei Tageszeitungen, Magazinen und anderen Massenmedien, wo überall ein Comicstrip oder ein paar Rezensionen reinpassen würden…) Und es fehlen mutige Verleger und Redakteure, die den Nachwuchs nachhaltig fördern und neuen Zeichnern und Autoren eine Plattform geben - wobei auch das u. a. eine Frage der vorhandenen Finanzmittel ist. In Deutschland ist das Medium immer noch mit dem „Schund & Schmutz“-Etikett und der vorherrschenden Meinung, Comics seien nur was für Kinder, behaftet.

8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/innen verdienten mehr Aufmerksamkeit als sie sie im Moment haben?

Fil natürlich. Den kennt außerhalb Berlins leider nur die Comicnerd-Gemeinde. Und Peter Puck, wenn er denn noch „Rudi“ machen würde statt bei Siemens an der Hauszeitschrift zu arbeiten. Oder Leute wie Sascha Wüstefeld, die Männer von Beat-Comix in Dresden oder viele der Leute, die bei Levin Kurio in den Weissblech-Comics herrlichen Trash (im besten und unterhaltsamsten Sinne des Wortes) abliefern, ohne sich groß Illusionen über Weltruhm zu machen. Genau genommen sind außer Moers, König und Brösel doch kaum Comicmacher außerhalb der sehr übersichtlichen Comicszene bekannt… Frau Kreitz, Mawil, Kleist, Flix oder Atak kennt man ja eigentlich nur unter Gleichgesinnten…

9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?

Seltsame Frage, die man da einem Comiczeichner stellt… Andererseits finde ich nicht unbedingt, dass ein Einzelner einen hoch dotierten Preis erhalten sollte. Dem gesamten Medium sollte geholfen werden. Aber wenn’s denn sein müsste, würde ich noch ein paar Jahre warten und den Preis dann Fil geben, damit er ruhig schlafen kann.

10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?

Kommt auf den Comic an, den es zu beschreiben gilt. Schweinevogel lebt meist vom Wortwitz und den Dialogen – unseren Trickfilm haben sich auch schon Blinde angehört und es hat – natürlich mit Abstrichen – funktioniert. Bei meiner „Seelenfresser“-Graphic Novel wird man wohl viel Zeit für Bildbeschreibungen mitbringen müssen… sehr düster, wortkarg und unheilschwanger - wie eine Mischung aus Type-O-Negative und Gustav Mahler…

11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?

Neben der Studioarbeit, wo gerade für KI.KA „Panini-Bildchen“ mit den 32 WM-Topspielern als Kari/Illu, Illustrationen für ein Weihnachts-Songbook, Motive fürs Wacken Open Air und fürs With Full Force und Illustrationen für Imagebroschüre und HOSSA!-Strips, dem Witz der Woche, der freitäglichen „Seelenfresser“-Seite, täglichen Karikaturen und natürlich der aller drei Monate erscheinenden Schweinevogel-Heftserie. Wenn aber noch was reinkommen sollte – immer her damit!

12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comiczeichner/-autor zu werden - und wieso würden Sie ihm davon abraten?

Davon rate ich stets ab, da dieser Beruf – auf jeden Fall hierzulande – nicht als risikoresistente Lebensgrundlage gelten dürfte. Ich bin der lebende Beweis. Ohne die anderen Disziplinen würde es nicht gehen. Zum Erlernen des Handwerks rate ich aber auch. (Und gebe deshalb auch Comic-Workshops.) Und Lebenserfahrung braucht’s. Und viiiel Übung und Disziplin. Aber selbst dann ist das keine Garantie für irgendwas.

13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?

Man sieht als erstes die Fehler. Nach zwei Wochen finde ich alles schrecklich, nach drei Wochen super und irgendwann sitz ich am Layout für das nächste Heft und dann spielt es keine Rolle mehr. Davon ab bin ich im täglichen Produktionsprozess – da gelten ohnehin andere Dinge ;-)

14. Welche Note hatten Sie im Kunstunterricht?

Gut bis sehr gut. Lag aber eher an den Sympathiepunkten, die ich bei meinen Kunstlehrern hatte. Zumeist war ich formal nicht nah genug am Thema. Ist heute oft noch so.

15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?

Zarte Frauen? Keine Ahnung – mit genug Übung geht eigentlich alles. Und wie heißt es doch so schön? „Wer am Wegesrand arbeitet, hat viele Ratgeber.“

Schwarwel wurde 1968 in Leipzig geboren, wo er - mit Unterbrechnungen - bis heute lebt und arbeitet. Seit 1993 ist er Art Director der Band Die Ärzte, arbeitet als Grafiker, Illustrator, Karikaturist, Comiczeichner, Animator, Ausstellungs-Kurator, Veranstalter und Regisseur. Hier geht es zu Schwarwels Online-Comics auf tagesspiegel.de, hier geht es zu seiner Website.

Von Donnerstag, den 2. September bis Sonntag, 10. Oktober läuft in der Leipziger Moritzbastei eine Ausstellung zu Schwarwels neu erschienenem Buch "Total-O-Rama - die ersten 20 Comicjahre 1987 – 2007 (und ein Bisschen mehr)".

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