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Aufbruchs- und Partystimmung: Eine Seite aus dem besprochenen Album.

© Metrolit

Ed Piskors “Hip-Hop Family Tree”: Der Beat der Bronx

Ed Piskor setzt mit seinem Comic-Album “Hip-Hop Family Tree” den Pionieren dieser Musik ein Denkmal - mitreißend, anschaulich und mit Liebe zum Detail.

Am Anfang steht ein Geistesblitz: DJ Kool Herc verlängert die Instrumentalbreaks von Funk- und Soulalben, indem er gleichzeitig zwei Exemplare der gleichen Platte auflegt und  nacheinander immer wieder dieselbe Stelle abspielen. Die Geburt des Breakbeat-Loops. Als auch seine Kollegen Grandmaster Flash und Afrika Bambaataa diese Technik übernehmen und verfeinern, wird sie in der Bronx immer populärer. Schon auf der ersten Seite von Ed Piskors „Hip Hop Family Tree. Die frühen Jahre des Hip Hop“ haben die drei wichtigsten Turntable-Pioniere ihren Auftritt.

In kurzer Folge führt der 1982 geborene Zeichner weitere Protagonisten der Szene ein: The Treacherous Three, The Cold Crush Brothers, Funky Four Plus One, Kurtis Blow und seinen umtriebigen Manager Russel Simmons … Der Stammbaum verästelt sich so schnell und stark, dass man leicht den Überblick verlieren kann.

Doch von dieser wohl der Erstveröffentlichung als wöchentliche Netz-Kolumne geschuldeten Wimmelbildhaftigkeit sollte man sich nicht irritieren lassen, gelingt es Piskor doch mitreißend und anschaulich die Atmosphäre dieser kreativen Blütezeit New Yorks Ende der siebziger Jahre zu vermitteln. Der Comic wirkt selbst als stamme er aus dieser Zeit: die Seiten haben einen vergilbten Grundton, die farbenfrohen, detailreichen Zeichnungen erinnern an „American Spendor“ von Harvey Pekar, mit dem Piskor sogar einige Male zusammengearbeitet hat.

In „Hip Hop Family Tree“ konzentriert er sich vor allem auf den musikalischen Aspekt der Hip-Hop-Kultur. So kommen Breakdancer nur am Rande vor. Graffiti-Künstler wie Lee Quiñones und Fred Fab 5 haben immerhin eine prominente Nebenrolle, was wohl auch dem Einfluss des legendären Hip-Hop-Films „Wild Style“ zuzuschreiben ist, dessen Vorgeschichte Piskor aufgreift.

Zeitreise: Das Cover des besprochenen Bandes.
Zeitreise: Das Cover des besprochenen Bandes.

© Metrolit

In kurzen Episoden erzählt der in Pittsburgh lebende Comicautor die zentralen Geschehnisse der frühen Hip-Hop-Historie nach: Wie sich die Bronx-DJs während eines Stomausfalls neues Equipment zusammenklauen, wie die umtriebige Plattenlabel-Inhaberin Sylvia Robinson mit der Sugarhill Gang den  ersten Rap-Megahit („Rappers Delight“) auf Vinly herausbringt, wie Afrika Bambataa auf die Idee kommt Kraftwerk zu sampeln, warum Debbie Harry auf dem Blondie-Song „The Rapture“ rappt und wie Kurtis Blow als erster Rapper landesweit im Fernsehen auftritt.

Piskor zitiert die MCs in den Sprechblasen ausgiebig – dankenswerterweise wurde nicht versucht, diese Stellen für die deutsche Ausgabe zu übersetzen. Zwischendrin bildet er immer wieder die Etiketten wichtiger Platten ab. „Hip Hop Family Tree“ lebt von liebevollen Details wie diesen. Der Band ist Hommage und Chronik zugleich, die Arbeit eines ergebenen Fans. Es geht nicht darum, das Phänomen Hip-Hop politisch oder sozial oder musikhistorisch zu erfassen, sondern die Aufbruchs- und Partystimmung zu vermitteln. Das klappt bestens und macht Lust auf den zweiten Band, der hoffentlich auch bald auf Deutsch erscheint.

Ed Piskor: „Hip-Hop Family Tree. Die frühen Jahre des Hip-Hop“. Aus dem Amerikanischen von Stefan Pannor. Metrolit Verlag, 112 S., 22,99 €.

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