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Erotik-Comic: Unreifes Fallobst

Mit "Honigfeigen" legt Sanni Kentopf einen erotischen Comic-Roman vor, der sich bei genauerem Hinschauen nicht als verbotene Frucht, sondern als schwer verdauliche Kost präsentiert

Ein schmackhaftes Obst liegt vor uns auf dem Teller. Unsere Geschmacksnerven werden durch visuelle Reize an etwas erinnert, das wir schon kennen und das uns gemundet hat. Der rosa Einband und die aus Rasterpunkten bestehende Frakturschrift des Titels verweisen ohne jede Scham auf Charlotte Roches Aufsehen erregenden Erfolgsroman "Feuchtgebiete". Natürlich sollen hier Analogien zwischen den beiden Publikationen erzeugt werden, um den potentiellen Feinschmecker zum Verzehr des Comic-Romans von Sanni Kentopf anzuregen.

Beginnt man die Frucht langsam zu öffnen, wie auf dem Cover des Bandes vorgeführt, wird schnell deutlich, dass das Innere in keinem Verhältnis zum Äußeren steht. Das oberflächliche Versprechen, etwas Sinnliches geboten zu bekommen, wird auf allen Ebenen gebrochen, beginnend mit dem eigentlichen Plot: In einer "flippigen Mädels-WG" erzählen Ricky, Linda, Leonie, Marla und Stan ihre anzüglichen Geschichten voll sexueller Abenteuer. Sie berichten von Intimfrisuren, von sexuellen Praktiken und auch von der lesbischen Lust. Dabei werden wenige Fantasien ausgespart.

"Feuchtgebiete" wird belächelt - aber zum Vorbild genommen

Das eigentliche Fruchtfleisch von Honigfeigen, sprich die sexuellen Episoden, wurden zwar von Sanni Kentopf ersonnen, bearbeitet und in Comicform hat sie jedoch Rochus Hahn alias Robi (Horst). Trotz überproportionierter Formen bleiben die Charaktere dabei jedoch flach. Anstatt ihnen durch Handlungen und Dialoge Tiefe zu geben, werden die fünf Protagonistinnen kurz im Einband des Comic-Romans charakterisiert. Diese Kurzbeschreibung wird in penetrant redundanter Form bereits auf der zweiten Seite des Comics auf zwei Sätzen pro Figur ausgewalzt. Natürlich benötigt ein erotischer Comic-Roman keine langen Erläuterungen oder tiefschürfende Dialoge, wahrscheinlich würden diese dem eigentlichen Akt nur im Wege stehen. Doch wünscht man sich mehr Wortwitz, mehr Esprit, um die Verruchtheit der Geschichten nicht ins Profane abdriften zu lassen. Doch eben dies geschieht.

Allein an der Rahmenhandlung wird deutlich, dass die erzählerische Ebene nicht ganz stimmig konzipiert wurde: Während die Sexperimente aus "Feuchtgebiete" von den Damen zu Beginn nur belächelt werden, führen Robi und Kentopf die Abenteuer von Charlotte Roches Protagonistin Helen in späteren Zwischensequenzen als direkte Inspiration für ihre Episoden an. Eine solche Unlogik muss der Leser hinnehmen. Die Episoden selbst lesen sich wie ein Katalog männlicher Sexfantasien. Obgleich die Frauen stets als scheinbare Siegerinnen aus den Konfrontationen mit dem anderen Geschlecht hervorgehen, so ist es doch der Mann, der sich an diesen Bildern erfreut. Am Ende wird kurzerhand versucht, durch eine lesbische Sexszene im völlig zusammenhanglosen, nachgeschobenen Epilog den Mann gänzlich auszuklammern. Das gewünschte Resultat tritt dabei leider nicht ein, da der gemeinte männliche Leser stets als Voyeur anwesend ist. Sowohl Rahmenhandlung als auch die einzelnen Episoden wirken lustlos hingeworfen – wegen der vielen Kerne ist das Fruchtfleisch gänzlich ungenießbar.

Wie Sexpuppen sitzen die Damen auf ihren Barhockern

Das einzige was an diesem Comic wirklich steif wirkt, sind die Zeichnungen von Alberto Saichann. Wie aufgeblasene Sexpuppen sitzen die Damen auf ihren Barhockern oder verknoten sich ungelenk in expliziten Positionen. Selbst in ihrer vertrauten Umgebung werden sie vom Zeichner dazu gezwungen, kurze Miniröcke und hautenge Tops zu tragen, die alles zeigen und keinen Raum für Fantasie lassen. Hinzu kommt, dass die Physiognomie der Figuren Dimensionen annimmt, die nicht mehr als realistisch bezeichnet werden können. Obwohl Saichann aus den Geschichten sinnvolle Bildsequenzen zusammenschustert, fehlt der grafischen Erzählung einfach die nötige Dynamik, um wirklich erotisch zu wirken.

Man hat sich vielleicht ein bisschen zu viel Zeit für die Verpackung, für das Leben von Sanni Kentopf und die Vermarktung von "Honigfeigen" genommen und dabei vergessen, dass das Innere eines Comics auch erst reifen muss, damit es genießbar wird. Dass Erotik in Comics sehr wohl sinnlich dargestellt werden kann, beweist der Panini-Verlag momentan nur mit seinem Japan-Import "Maka-Maka".

"Honigfeigen", von Sanni Kentopf (Plot) und Alberto Saichann (Zeichnungen). Panini Verlag, 72 Seiten, SC, 12 Euro.

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