zum Hauptinhalt
266333_0_1a8e95b7.jpg

© Illustration: Tillier,Leclercq/Splitter

Fantasy-Comic: Automatenliebe

Gut zehn Jahre nach einem missglückten ersten Versuch liegt jetzt die traurig-romantische Fantasy-Liebesgeschichte "Fee" als Gesamtwerk vor.

„Fee“ erschien bereits 1997 unter dem Label des alten Splitter-Verlags. Allerdings gilt dies nur für den ersten Band der Trilogie, den noch ausstehenden Alben kam dann der Konkurs zuvor. Was man dereinst an Glaubwürdigkeit dank einer unzuverlässigen und teils schluderigen Veröffentlichungspolitik verspielte, wurde nach der Wiederbelebung im Jahre 2006 unter der neuen Leitung von Dirk und Delia Wüllner Schulz innerhalb kürzester Zeit wieder wett gemacht.

Auch die vorliegende Gesamtausgabe untermauert sowohl den guten Ruf, als auch das verlagsinterne Credo: Überformatige Hardcoverausgaben, oft angereichert mit interessantem Zusatzmaterial (in diesem Fall ein mit Skizzen versehenes Vorwort der Autoren), sollen zum erschwinglichen Preis das Herz eines jeden (vornehmlich eher dem frankobelgischen Raum zugeneigten) Bibliophilen höher schlagen lassen. Dieses tieftraurige Fantasy-Epos voller surrealistischer Bildeinfälle bildet dabei keine Ausnahme.

„Fee“ ist zunächst und vor allem ein schwarzes Märchen, dessen dystopische Versatzstücke den parabolischen Charakter nur unterstreichen: Der Suche nach Schönheit in einer lebensunwürdigen Welt und der Kraft der Liebe im Zeitalter ihres Niedergangs. Das klingt so pathetisch, wie es auch dargeboten wird.

Aber dieses Pathos unterstützt die Tragik, der jene unmögliche Liebe ausgesetzt ist – es erkennt in ihr weder die unterm Morast verschüttete Blume, die, erst geborgen, dann auch wieder blühen wird, noch stilisiert es sie zur alles überdauernden Macht der Illusion, die jedes Unrecht triumphierend in die Tasche steckt.

Traum von einer verlorenen Welt

Denn Sir Crumpett ist - wenn auch nicht die Hauptfigur, so doch Erzeuger der beiden handlungstragenden Automaten Jam und besagter Fee - ein Ästhet, der Jahrzehnte damit verbringt, zurückgezogen in einer technoiden und zugleich aristokratischen Barockwelt eine schier unerreichbare Lebensaufgabe zu verfolgen: der dem Verfall ausgesetzten Welt den reinen Glanz der Feenaugen zurückzugeben, wie er sie aus alten Märchenbüchern kennt und darob glaubt, dass sie einst gelebt haben müssen.

So viel sei verraten: Das haben sie nie. Und auch seine Konstruktion tausender märchenhafter mechanischer Gestalten, trägt nichts zur Verbesserung dieser elenden, von einem dunklen Rot erfassten Welt bei, das ständig glauben lässt, sie könne augenblicklich in einer gigantischen Feuerwalze untergehen. Dies widerfährt jedoch seinem hoch über der Stadt gelegenen Anwesen samt seinen Bewohnern. Kurz nachdem die jüngste, und von ihm verschmähte, Kreation Jam einen Automatentorso ausfindig gemacht hat, dessen Augen diesen Glanz besitzen, dringen kurz vor der Vollendung – der Mund kann nicht mehr angebracht werden – die ausgehungerten Stadtbewohner ein.

So bleibt Crumpett nur übrig, Jam und die Fee zu konservieren, bevor auch er dem Mob zum Opfer fällt. Der weitere Verlauf erzählt von Jams epochenüberdauernden Suche nach dem zum Schweigen verdammten Objekt seiner Begierde, an deren Ende die beiden Automatenidentitäten wortwörtlich vereint sein werden – allerdings zum Preis der unumkehrbaren Einsamkeit. 

Kein Ausweg, nirgends 

Nicht nur inhaltlich besitzt das Pathos einen gewichtigen Stellenwert. Auch graphisch sind alle Zeichen darauf ausgerichtet. Ein schönes Beispiel für den emotionalisierenden Charakter der Seitengestaltung ist etwa, wenn Jam hilflos in seiner „Konservierungskiste“ die Exekution seines Schöpfers mit ansehen muss und der Ausschnitt seines Körpers auf den vier seitenfüllenden, rechteckigen Panels Bild für Bild immer größer, das Gefühl des Abschieds folglich immer totaler wird, während die Hintergrundfarbe der Seite vom Weiß langsam in ein düsteres Lila wechselt. Das auf den folgenden zwei Seiten auch erhalten bleibt, bis es auf der anschließenden Doppelseite wieder von einem grellen Weiß abgelöst wird – der Jahrhunderte später erfolgten Zündung einer Atombombe, die aber zumindest Jam und die Fee aus ihren stählernen Gefängnissen befreien wird.

Derartige Beispiele, in denen sich das Glück mit dem Tragischen verbindet, finden sich in der Erzählung zuhauf und bilden sozusagen das stilistische Fundament des eingesetzten Pathos. Sir Crumpett arbeitet zwar emsig an seinen Feenentwürfen, aber er befindet sich längst in der Diaspora. Sein Koboldkabinett wirkt physisch märchenhaft, jedoch sein Drang und die latente Verachtung für seine missgeratenen Kreaturen zeugen eher vom Fetischismus eines Lebensüberdrüssigen, von dem gar nicht so ersichtlich wird, wieviel ihm tatsächlich an der Verbesserung des Lebens außerhalb seiner Hallen gelegen ist.

Dieser Drang und Fetischismus werden tradiert: in Jams unabdingbaren Willen seiner Fee nahe zu sein. Und das in einer Welt, die keine Abkehr mehr zulässt. Denn an sich sind die beiden Automaten identitätslos, nur der Wille vereint zu sein, treibt sie durch diese Welt. Viel mehr scheinen sie von ihr auch nicht zu verstehen. Zwar versuchen sie sich ihrer Instrumentalisierung seitens der Menschen zu widersetzen, bemerken aber auch nicht, dass ihnen bereits genuin sämtliche Fluchtwege verstellt sind. In diesem Sinne verfährt auch der Pathoseinsatz, der diese den Figuren eingeschriebene Dichotomisierung hervorhebt und sie gleichermaßen unschuldig, wie hoffnungslos zurücklässt. Denn vom sonst so üblichen, genretypischen Erlösungseskapismus ist hier gar nichts zu bemerken.

Téhy (Autor) und Béatrice Tillier/Frank Leclercq (Zeichnungen): Fee. Splitter-Verlag, 160 Seiten, 29, 80 Euro. Leseprobe hier.

Sven Jachmann

Zur Startseite