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Perspektivwechsel. Hier schaut einmal Hund Tobi seinem Herrchen zu.

© Illustration: Montero/Edition 52

Graphic Novel: Flucht nach vorn

Roadmovie mit Hund: Der talentierte spanische Newcomer Dani Montero inszeniert in „Kein Blick zurück“ mit schwungvollem Strich und cineastischer Erzählweise ein beeindruckendes Debüt.

Man darf sich nicht vom Schein trügen lassen. Im Allgemeinen nicht, und vom lustig erscheinenden Artwork des Spaniers Dani Montero auch nicht. Vielleicht hat die Edition 52 deshalb auch „Kein Blick zurück“ ein düsteres Cover verpasst, das im Gegensatz zur freundlichen spanischen Umschlagsgestaltung bezüglich des Inhalts über jeden Zweifel erhaben ist. Denn „Kein Blick zurück“ spielt mit der Erwartungshaltung des Lesers, der aufgrund der leicht karikierenden Strichführung auch mit einer Semi-Funny-Geschichte rechnet.

Flucht als Neustart

Doch Montero entführt seine Leser in eine brüchige Welt, die gleichzeitig das Gefühl von Freiheit und die eigene Begrenztheit vermittelt. Jaimes Beziehung ist zu Ende. Daraufhin gibt er sein gewohntes Leben von einem auf den anderen Tag auf und zieht mit seinem Hund Tobi ohne Ziel los. Doch der Trip mit dem Auto währt nicht lange, weil das Gefährt kapituliert.

Ohne Rucksack und Auto müssen sich Jaime und Tobi mit den Erscheinungen der Natur in Form eines wütenden Bären oder eines Platzregens auseinandersetzen. Als Lagerarbeiter fängt Jamie wieder bei Null an, alles scheint in geregelten Bahnen zu verlaufen - doch dann wird er niedergeschlagen und entführt.

Flucht aufs Land. Montero kann auch große Panoramen.
Flucht aufs Land. Montero kann auch große Panoramen.

© Illustration: Montero/Edition 52

Überraschendes Roadmovie

Kernpunkt der Geschichte ist das Individuum als Teil der Gesellschaft. Jaimes Beziehung hat ihm zwar emotionale Stabilität gegeben. Als diese aber zur Gewohnheit wurde, entwickelt sich Jaimes Wunsch nach Veränderung. So beginnt „Kein Blick zurück“. Fortan flieht Jaime mit seinem treuen Vierbeiner vor seinem bisherigen Leben - und muss erkennen, dass man vor seinen Problemen nicht wegrennen kann. Es ist aber auch eine Geschichte über Freundschaft und die zweite Chance.

Montero schildert sein durchkomponiertes Roadmovie in cineastischen Bildern. Ungewohnte Perspektiven wie die des Hundes gehören dabei genauso zum Erzählrepertoire wie humorvolle Schuss-Gegenschuss-Sequenzen zwischen Jaime und Tobi. Die Stimmung wechselt zwischen Melancholie und Skurrilität, Kontemplation und Spannung. Und dann überrascht der Autor seine Leser mit einer unvorhersehbaren Wendung.

Markanter Strich, getüncht in grau

Das Artwork Monteros besticht durch eine eigenwillige Strichführung. Die reduzierten Schwarzweißzeichnungen weisen einen karikierenden Einschlag auf, der in Kontrast zur Melancholie und Spannung der Erzählung steht, aber von den skurrilen Augenblicken aufgefangen wird. Montero fügt seinen kontraststarken Illustrationen feine Nuancen durch graue Pinselstriche hinzu, was den Bildern mehr Plastizität und damit eine tiefere Dimension verleiht.

Darüber hinaus fügt Montero seinen Bildern in ausgewählten Panels eine dunkelrote Farbe hinzu, die emotionale Ausnahmesituationen grafisch betonen. Durch den seltenen Einsatz der Farbe wirkt sie umso stärker.

Der spanische Karikaturist, Illustrator und Animationskünstler wurde 2009 von der Jury des Internationalen Comicpreises Castelao, der auch Monteros Vorbild Miguelanxo Prado angehörte, ausgezeichnet. „Kein Blick zurück“ enthält ein Vorwort, in dem Michael Kompa und Heiner Lünstedt von ihrer Entdeckung Monteros berichten. Zudem enthält die Graphic Novel als Bonusmaterial ein Nachwort des Autors, in dem er über die Entstehung seines Debüts reflektiert sowie die Entwicklung vom Storyboard über Sketch zur Endfassung.

Dani Montero (Text und Zeichnungen): "Kein Blick zurück", Edition 52, 96 Seiten, 15 Euro. Hier ist eine Leseprobe.

Hier ist der Blog unseres Autors.

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