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Alles verloren: „Fegefeuer“ erzählt von dem jungen Unternehmer Benjamin Tartouche, der auf der Straße landet.

© Illustration: Chabouté

Graphic Novel: Aus dem Leben gefallen

Tod auf Bewährung: Christophe Chaboutés anrührende Graphic Novel „Fegefeuer“ erzählt von Schuld, Sühne und Wiedergeburt.

Was wäre, wenn man am Ende des Lebens seine irdischen Fehltritte nachträglich wiedergutmachen könnte? Eine verlockende Idee, auf der nicht nur so manche Weltreligion basiert, sondern die auch einen populären Stoff für Dramen mit moralischer Botschaft hergibt. Um ein solches handelt es sich bei dem Comicalbum „Fegefeuer“ des Franzosen Christophe Chabouté, das kürzlich bei Ehapa auf Deutsch erschienen ist.

Auch hier geht es vordergründig um die Frage, wie sich jemand verhält, dem gegen Ende seines Lebens eine zweite Chance gewährt wird. Dahinter aber, und das macht dieses Buch außergewöhnlich, steht die bewegende, mit viel schwarzem Humor erzählte Geschichte eines Menschen, der unverschuldet aus dem Leben gefallen ist und es sich Schritt für Schritt zurückzuholen versucht.

„Fegefeuer“ erzählt von dem jungen Unternehmer Benjamin Tartouche, dessen wirtschaftliche Existenz durch ein Feuer vernichtet wird. Als sich sein Versicherungsmakler als Betrüger erweist und seine Bank ihm das Konto sperrt, rutscht Tartouche ab. In schnörkellosen, realistisch anmutenden Tuschebildern beschreibt der 1967 geborene Chabouté jeden Schritt dieses sozialen Abstiegs, und der Leser kann zusammen mit der Hauptfigur staunen, wie schnell es passieren kann, dass man aus allen vermeintlichen Sicherheiten der Gesellschaft herausfällt und seine bürgerliche Existenz verliert.

Hitchcock, Einstein und Lady Di wandeln unter den lebenden Leichen

Als Tartouche dann auch noch seinem gierigen Makler vors Auto läuft und ins Koma fällt, kippt die Erzählung  ins Surreale: Der Angefahrene wandelt im Reich der Toten, wo ihm seine eigenen Verfehlungen zu Lebzeiten vor Augen geführt werden. Seine Mission: Er muss einen Lebenden zurück auf den Pfad der Tugend bringen, um statt in der Hölle im Himmel zu landen. So kehrt er unter die Menschen zurück und schon bald stellt sich heraus, dass sein Ziel eben jener Makler ist, der zuvor sein Leben zerstört hat.

Das klingt potenziell kitschig und klischeebeladen, und tatsächlich ist Chaboutés 190-Seiten-Drama nicht frei von übertrieben melodramatischen Momenten. Aber zugleich schafft es der Autor, durch einen unprätentiösen Realismus die Neugier des Lesers zu packen und ihn mit seiner Hauptfigur auf eine Reise der Erkenntnis zu schicken.

Dabei bedient sich der Zeichner eines einfachen, aber wirkungsvollen Kunstgriffs: Es lässt Benjamin Tartouche als schwarz-weiße Strichfigur in die bunte Tuschewelt der Lebenden zurückkehren. Das schafft einen dramatischen Kontrast, der auch über manch zu dick aufgetragenes Klischee der Handlung hinweghilft. So wandeln unter den Toten auf Bewährung auch etliche Prominente, von Hitchcock, Zappa und Einstein bis zu Lady Di. Diese Effekthascherei hätte die ruhig dahin fließende, aus der Situation der Hauptfigur genug Spannung erzeugende Erzählung eigentlich nicht nötig gehabt.

Christophe Chabouté: Fegefeuer, aus dem Französischen von Marcel Le Comte, Ehapa Comic Collection, 192 Seiten, Hardcover, Albumformat, 39,95 Euro.

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