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Zugreifen! Zwei Titel, die der Tagesspiegel-Comicredaktion besonders gut gefallen.

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Gratis-Comic-Tag: Geschenkt - am Sonnabend ist Gratis-Comic-Tag

30 Titel in hunderttausendfacher Auflage, fast 200 Läden machen bundesweit mit - hier unsere Auswahl der zehn interessantesten Hefte, die es am 12. Mai umsonst gibt.

US-amerikanische Heldengeschichten und Berliner Alltagsepisoden, „Don Quijote“ als aktuelles Comicdrama und die erste Graphic Novel zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan: Der Gratis-Comic-Tag, der an diesem Sonnabend, dem 12. Mai, zum dritten Mal bundesweit stattfindet, lockt mit 30 aktuellen Titeln, die fast jeden Geschmack berücksichtigen dürften. Hunderttausendfach werden die Sonderausgaben in fast 200 Buch- und Comicläden umsonst verteilt, alleine in Berlin sind 17 Geschäfte dabei. Die Redaktion hat sich zehn der am vielversprechendsten erscheinenden Hefte genauer angeschaut.

Mit seiner aktuellen Graphic Novel „Don Quijote“ hat Tagesspiegel-Zeichner Flix nicht nur zeichnerisch noch einmal einen großen Sprung gemacht. Sein Neuarrangement, von dem es am Sonnabend die ersten 24 Seiten als Sonderausgabe gibt, benutzt ein realistisches Drama, um die komische Fallhöhe zu erreichen, und sensibilisiert so für aktuelle Probleme, ohne zur sozialen Betroffenheitsoper zu verkommen. Humanismus, visuell brillierend durch feinen Strich, der thematisch angemessene Grautöne zu setzen weiß.

Zehn Jahre hat es gedauert, bis mit dem Berliner Illustrator Arne Jysch der erste deutsche Comicautor den Bundeswehreinsatz am Hindukusch thematisiert. Seine Graphic Novel „Wave and Smile“ ist ein gradlinig erzähltes Action-Drama um Leben und Tod, in dem nebenher auch das Für und Wider des Einsatzes kontrovers diskutiert wird. Am Sonnabend kann man in Berlin mit dem Autor über sein Werk sprechen, das komplett im Juni erscheint und von dem es an diesem Tag ein erstes Kapitel gratis gibt. Um 20 Uhr diskutiert Jysch bei der Langen Buchnacht mit Tagesspiegel-Redakteur Lars von Törne über das Thema Krieg und Comic („Ina“, Dresdener Str. 128, Kreuzberg).

Beim französischen Comicduo Kerascoët ist es wie bei einem exotischen Tier, bei dem man erst dann merkt, dass es nicht nur wunderschön, sondern auch hochgiftig ist, wenn es einen gebissen hat. Kerascoëts zusammen mit dem Szenaristen Hubert geschaffener Vierteiler „Fräulein rühr mich nicht an“, von dem es jetzt das 48 Seiten umfassende erste Kapitel gratis gibt, ist die auf den ersten Blick lieblich anmutende Erzählung von der Provinzschönheit Blanche, die im Paris des Jahres 1930 in einen Strudel aus Gewalt, Sex und Rache gerät.

Dunkle Seiten: Zwei weitere besonders empfehlenswerte Titel.
Dunkle Seiten: Zwei weitere besonders empfehlenswerte Titel.

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Der Kanadier Jeff Lemire hat mit „Essex County“ einen der gelungensten Comics der vergangenen Jahre veröffentlicht. Auf hohem Niveau bewegt sich auch das jetzt auf Deutsch erscheinende postapokalyptische Drama „Sweet Tooth“ um eine Gruppe heranwachsender Hybriden aus Mensch und Tier. Der grob und skizziert wirkende Zeichenstil Lemires lässt die gefühlvolle Coming-of-Age-Erzählung umso realistischer erscheinen.

Nochmal Coming-of-Age, diesmal aus weiblicher und japanischer Perspektive: Kazu Katos Manga „Blue Exorcist“ erzählt vom Sohn des Satans, der nicht dem ihm familiär zugedachten Karriereweg folgen mag, rebellische Attitüde inklusive. Nicht ganz so neue Idee, aber die taugliche Gestaltung macht die mit christlichen Bezügen gespickte Schauermär vom Waisenknaben, der gar keiner ist, recht gut lesbar.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich Naomi Fearn als feste Größe in der deutschen Independent-Comicszene etabliert. „Zuckerfisch“, der wöchentliche Strip der Berliner Exil-Schwäbin glänzt mit pointierten, vom Leben der Autorin inspirieren Episoden und Dialogen, die trotz des humoristischen Grundtons überraschend tiefgründig sein können. Die Mitbewohner von Fearns in Echtzeit reifer und älter werdendem Comic-Alter- Ego stellen sicher, dass es dabei nie zu ernst wird: ein schwuler, partyfreudiger Hase und sein Freund, ein in Symbolbildern kommunizierendes Kaninchen.

Wie wohl bei jeder guten Zombiegeschichte geht es auch bei der seit zehn Jahren erfolgreichen Independent-Comicserie „The Walking Dead“ weniger um die röchelnden Untoten und mehr um das, was ihre Omnipräsenz mit den Lebenden macht. Wie Autor Robert Kirkman bei der Reihe, deren TV-Adaption bald in die dritte Runde geht, die Grenzen zwischen Mensch und Monster durchlässig werden lässt und die sozialen und psychologischen Folgen des Horrors vorführt, wurde selten so einfühlsam und packend geschildert.

Und noch zwei Titel, die sich lohnen.
Und noch zwei Titel, die sich lohnen.

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Das Heft „Comic Girls“ bietet vier hübsch kolorierte Serien in cartooneskem Stil, bei denen sich die Familienverhältnisse der Figuren auffällig ähneln. Konzeptuell überzeugt vor allem „Ernest & Rebecca“, indem die Immunschwäche der Hauptfigur behutsam humorvoll thematisiert wird. Dass derart gelungenes Material als „Comics nur für Mädchen“ bezeichnet wird, zementiert allerdings überkommene Rollenbilder.

Schamlose Übertreibungen gehören im Heldenuniversum des DC-Verlages zum Alltag. Beim Neustart der Serien um Batman, Superman und Co., der im Juni auch Deutschland erreicht, erscheinen Superlative ausnahmsweise mal angebracht: Der Umfang des erzählerischen und zeichnerischen Neuanfangs ist tatsächlich spektakulär. Allerdings ist der am Sonnabend gratis verteilte Mini-Appetithappen „Justice League“ der Mainstream-Stars Jim Lee und Geoff Johns einer der weniger aufregenden Titel des Relaunchs.

Die Comicadaption von George R. R. Martins Fantasy-Epos „Game of Thrones“ könnte bei unbedarften Comicnovizen das Vorurteil vom Medium für Minderbemittelte nähren. Durchschnittliche Zeichenware, die sich ohne eigene Perspektive am Text der Vorlage abarbeitet und von der passablen Buchvorlage und der gelungenen Fernsehversion nicht viel übrig lässt: A Game of Cash.

Einen kompletten Überblick über alle Veröffentlichungen, Händler und Sonderveranstaltungen am 12. Mai gibt es hier: www.gratiscomictag.de.

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