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Von wegen sittliche Reife: Mark Twain und Atak sehen die Menschheitsgeschichte als endlose Gewaltorgie.

© Atak/Carlsen

Update

Illustrierte Literatur: Des Teufels Spielkameraden

Schön böse: Der Berliner Künstler Atak hat Mark Twains letzte Erzählung „Der geheimnisvolle Fremde“ eindrucksvoll illustriert. Jetzt lädt er zur Release-Party in Berlin.

Die Illustratorin Nadia Budde hat die Arbeiten ihres Künstlerfreundes Georg Barber alias Atak mal mit einem tropischen Gifttier verglichen: Ihre betörende Schönheit repräsentiert zugleich die Warnung vor einer großen Gefahr. In seiner jüngsten Veröffentlichung hat der Berliner Zeichner erneut doppelbödige Bilder geschaffen, die ansprechend und irritierend zugleich sind. Am 15. Februar lädt er zusammen mit seinen Künstlerfreunden Ahne, Jakob Hein, Tina Kemnitz und Vert zur Release-Party ins „Max & Moritz“ in Berlin-Kreuzberg.

Auf den ersten Blick wirken die Gemälde, mit denen Atak Mark Twains letzte, posthum veröffentlichte Erzählung „Der geheimnisvolle Fremde“ illustriert hat und die gleichwertig neben dem Originaltext stehen, harmlos und naiv. Mit klar wirkenden Strukturen und betonter Reduziertheit vermitteln sie Simplizität und Ordnung: wie mittelalterliche Bildtafeln, die in diesem Fall den Alltag in einem von der Außenwelt abgeschnittenen Weiler in Österreich beschreiben.

„Perfectly horrible, perfectly beautiful“

Auf den zweiten Blick jedoch verweisen Ataks Bilder mit vielschichtigen Anspielungen auf andere Welten hinter der Oberfläche. So wie es auch die Hauptfigur der heiter wirkenden, doch zutiefst nihilistischen Erzählung, ein junger Charmeur namens Satan, mit drei Dorfbuben tut, vor denen er eines Tages auftaucht. Er freundet sich mit ihnen an und führt ihnen vor, wie schlecht die Menschen in Wirklichkeit sind. Mit kleinen Tricks bringt er die Dorfbewohner gegeneinander auf, provoziert Missgunst, Paranoia und Gewalt, ohne dass er dafür allzu sehr an der Oberfläche kratzen muss.

Sympathie für den Satan: Die Hauptfigur auf dem Buchcover.
Sympathie für den Satan: Die Hauptfigur auf dem Buchcover.

© Atak/Carlsen

Wer genau hinschaut, erkennt hinter den leuchtenden Farbflächen andere Bilder, die der Künstler übermalt hat: Hinweise, wie trügerisch und flüchtig die Dinge sind. Zahlreiche Zitate aus Popkultur und Kunstgeschichte geben dem Ganzen etwas zeitlos Spielerisches – so wie auch Satan den Ausflug zu den Menschen nur als Zeitvertreib zu sehen scheint, bevor er einigen von ihnen die vermeintlich göttliche Ordnung als Hirngespinst offenbart.

Der über Comics, Punk und Street Art zur bildenden Kunst gekommene Atak findet für die Misanthropie Twains bemerkenswert verspielte Bilder, die einen ähnlich grimmigen Witz vermitteln wie die Worte des Erzählers. Wenn er die Menschheitsgeschichte als endlose Folge von Mord und Totschlag darstellt, dann illustriert Atak das in Schlachten-Epen, in denen Kolonialkrieger und Nazi-Soldaten auf „Star Wars“- Kämpfer treffen. Und bei einem intriganten Dorffest tummeln sich unter den Gästen auch Comicfiguren wie Micky Maus, Tim und Robin.

Als Mark Twain seiner todkranken Frau einst Passagen aus „Der geheimnisvolle Fremde“ vorlas, soll sie gesagt haben: „It's perfectly horrible – and perfectly beautiful.“ In das Kompliment kann man jetzt auch Atak einschließen.

Mark Twain / Atak: Der geheimnisvolle Fremde, Carlsen, 175 Seiten, 24,90 Euro.

Terminhinweis: Release-Party am 15. Februar im Max & Moritz, Oranienstraße 162, Berlin-Kreuzberg, Beginn 20 Uhr, Eintritt 3/2 Euro. Es gibt eine bebilderte Lesung mit Tina Kemnitz, Ahne und Jakob Hein, Livemusik von Vert (UK/Electronic), danach Plattentellermusik zum Tanzen von DJ Atak, Ahne und Jakob Hein.

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