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Im Comicwunderland: Nicolas Mahler, der kürzlich das Buch "Alice in Sussex" veröffentlichte, ist einer der Gäste des Literaturfestivals.

© Mahler/Suhrkamp

Internationales Literaturfestival Berlin 2013: Witz und Wahrheit

Das Internationale Literaturfestival Berlin feiert den Comic und verlangt in einem Manifest, ihn mehr zu fördern. Autoren wie Nicolas Mahler und Manuele Fior treffen am 8. September auf deutsche Kollegen wie Flix und Ulli Lust - und es gibt spannende Neuheiten zu entdecken.

Dass er Mallorca überlebt hat, ist eine Leistung. Von den Jugendfreunden, mit denen Gabi Beltrán in den 1970er Jahren in einem Rotlichtviertel der Urlaubsinsel aufwuchs, hat das nicht jeder geschafft. Drogen, Gewalt, Kriminalität – Beltrán hat dieser Welt rechtzeitig den Rücken gekehrt. Er wurde Autor und Grafiker, arbeitet für spanische und US-Zeitungen. Jetzt hat er seine bewegenden Jugenderinnerungen als Comic vorgelegt. „Geschichten aus dem Viertel“ heißt das von Bartolomé Seguí gezeichnete Buch, am 8. September stellt Beltrán es beim Graphic-Novel-Tag des 13. Internationalen Literaturfestivals Berlin (ILB) vor und diskutiert mit anderen Autoren darüber.

Er ist einer von gut einem Dutzend Comicautoren und Zeichner, die das renommierte Festival dieses Jahr ins Festspielhaus an der Schaperstraße holt. Damit kommen inzwischen etwa zehn Prozent der Gäste aus dem Bereich Comics. Prominente Künstler wie der Österreicher Nicolas Mahler, der Italiener Manuele Fior oder auch die derzeit in den USA gefeierte Berlinerin Ulli Lust stehen neben Literaturstars wie Salman Rushdie, John M. Coetzee und Daniel Kehlmann auf dem Programm – ein weiteres Indiz dafür, wie weit es die einst als Schmuddelkram verpönte Kunstform gebracht hat.

Sven Regeners „Herr Lehmann“ als Comic

Dass es damit noch nicht getan ist, soll eine Deklaration deutlich machen, die Festival-Chef Ulrich Schreiber und seine Mitstreiter Anfang kommender Woche präsentieren wollen: Ein „Manifest für die Comic-Kunst in Deutschland“ soll da vorgelegt werden, das zusammen mit Vertretern der Berliner Comicszene formuliert wurde und eine bessere öffentliche Förderung der Kunstform einklagt.

Wie vielfältig sich diese entwickelt hat, zeigen vor allem vier Panels am 8. September, bei denen internationale Gäste auf Berliner Comicautoren treffen und wo es einige Neuentdeckungen zu erleben gibt. Einen ersten Blick in die bevorstehende Comic-Umsetzung von Sven Regeners Berlin-Bestseller „Herr Lehmann“ verspricht zum Beispiel das Panel zu Literaturadaptionen. Hier unterhalten sich die Tagesspiegel-Zeichner Flix, der „Don Quijote“ und „Faust“ als Bilderzählung adaptiert hat, und Tim Dinter, der derzeit an den letzten Feinheiten der Adaption von „Herr Lehmann“ arbeitet, mit dem vielfach ausgezeichneten italienischen Zeichner Manuele Fior, der neben der Schnitzler-Adaptation „Fräulein Else“ zahlreiche weitere Graphic Novels veröffentlicht hat, zuletzt das Science-Fiction- Psycho-Drama „Die Übertragung“.

Um Grenzüberschreitungen zwischen dem Comic und anderen Kunstformen geht es im zweiten Panel, bei dem die Berliner Künstler Atak („Der geheimnisvolle Fremde“) und Aisha Franz („Alien“) auf die Belgierin Dominique Goblet treffen, die neben kunstvollen Bildgeschichten auch Gemälde und Skulpturen schafft.

Eine Ausstellung zeigt Comics aus Berlin

„Comics und die harte Realität des Alltags“ ist das Thema, wenn Gabi Beltrán auf drei Autoren trifft, die die dokumentarischen Möglichkeiten der Kunstform ausgelotet haben: Der Finne Ville Tietäväinen erzählt in der bald auf Deutsch erscheinenden Graphic Novel „Unsichtbare Hände“ von der Odyssee eines nordafrikanischen Flüchtlings in die EU. Die Schweizerin Kati Rickenbach verarbeitet in ihrem Buch „Jetzt kommt später“ ihre Studienzeit. Und Ulli Lust erzählt in ihrer Graphic Novel „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“ von einem Ausbruchsversuch aus dem geregelten Leben, der katastrophal endete.

Vielschichtig: Eine Szene aus Manuele Fiors "Die Übertragung".
Vielschichtig: Eine Szene aus Manuele Fiors "Die Übertragung".

© Avant

Wie eng Witz und Wahrheit beieinanderliegen, verhandeln in einem weiteren Panel der Österreicher Nicolas Mahler („Alice in Sussex“), der für seinen tiefgründigen Humor vielfach ausgezeichnet worden ist, der Flame Brecht Vandenbroucke („White Cube“) und der Berliner Zeichner Ol („Die Mütter vom Kollwitzplatz“), der Alltagsbeobachtungen mit trockenem Witz kommentiert.

Abgeschlossen wird der Tag durch eine Performance der Berliner Künstler Danielle de Picciotto („We Are Gypsies Now“) und Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten), die Musik und grafische Narration kombinieren.

Während des Festivals zeigt ab dem 4. September die Ausstellung „Comics aus Berlin. Bilder einer Stadt“ die Vielfalt der Szene. Der bebilderte Katalog mit 74 Seiten erscheint im Verlag Vorwerk 8 und kostet 9,80 Euro.

Graphic-Novel-Tag beim ILB: 8. September, Haus der Festspiele, Schaperstraße 24, Wilmersdorf, 11-22 Uhr, die meisten Gespräche sind auf Englisch, Karten 12/8/4 €, mehr Informationen: www.literaturfestival.com.

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