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Moers Lieblingscomic: "Der Pinguin" ist der erste Band der Neuveröffentlichungen.

© Knaus

Interview: „Blut ist komisch“

Figuren wie „Das kleine Arschloch“ und „Adolf, die Nazi-Sau“ machten Walter Moers in den 1990er Jahren zu einem der wichtigsten deutschen Comiczeichner, bevor er als Romanautor noch berühmter wurde. Jetzt wird sein zeichnerisches Frühwerk neu veröffentlicht. Im Interview sagt er, wieso.

In den vergangenen Jahren widmete sich Moers mehr und mehr dem Schreiben seiner Zamonien-Romane, jetzt erscheinen bei Knaus nach und nach einige der lange vergriffenen Frühwerke des Zeichners. Verleger Wolfgang Ferchl hat Moers dazu befragt, im Folgenden dokumentieren wir das Interview.

Seit über zehn Jahren haben Sie sich fast ausschließlich mit dem Schreiben von Romanen beschäftigt. Jetzt kehren Sie zum Comic zurück und legen Ihre „Klassiker“ neu auf. Wie kommt das?

Meine Comics sind ursprünglich im Eichborn-Verlag erschienen, der in die Insolvenz geriet und von einem größeren Verlag übernommen wurde. Dadurch fielen die Rechte an mich zurück. Fast gleichzeitig hatte ich eine Ausstellung meiner zeichnerischen Arbeiten in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, wodurch wir uns intensiv auch mit den Comic-Originalen beschäftigen mussten. Ich blicke grundsätzlich nicht gern zurück und hatte mir deswegen meine älteren Arbeiten lange nicht mehr angesehen. Bei der Revision aber fiel uns auf, dass einiges die Jahre erstaunlich gut überstanden hat. Das brachte uns auf die Idee, das Beste noch mal zu überarbeiten und wieder aufzulegen.

Was heißt das?

Wir gehen noch mal alles durch, vom Inhalt angefangen über die Typographie bis zum Druck – und bringen es auf den heutigen Stand. Manche Comics stammen ja noch aus der vordigitalen Ära, von manchen waren die Originale verschollen oder unbrauchbar und so weiter. Auch hing uns das alte Comic-Albenformat zum Hals raus – es war also richtig Arbeit.

Und was versprechen Sie sich davon? Wollen Sie den alten Fans ein Revival bieten?

Bevor man so etwas macht, überlegt man sich ganz genau, ob man nicht doch lieber etwas ganz Neues in Angriff nimmt. Aber wir sind ausgesprochen optimistisch, und glauben, dass meine Inhalte und mein Stil auch für eine neue Generation von Comiclesern taugen, wenn wir die Comics in zeitgemäßer Form wieder vorlegen. Und wenn wir dies auf geeignete Art mit den elektronischen Möglichkeiten unterstützen.

Welche Kriterien haben Sie bei der Auswahl angelegt?

Wir sind ausgesprochen subjektiv vorgegangen: Was gefällt mir selber heute noch? Und was kann ich von meinen eigenen Sachen nicht mehr sehen? Das sind dann ganz instinktive und persönliche Entscheidungen. Bei manchen meiner Comics frage ich mich heute, was für eine Person das war, die das gezeichnet hat. Da musste ich erstmal durch.

Welche Comics mögen Sie denn nicht mehr?

Das müssen Sie selbst herausfinden. Wir haben uns jedenfalls bei den „Classics“ nicht nur an den alten Verkaufszahlen orientiert. Sonst gäbe es jetzt zum Start die ersten beiden Bände vom Kleinen Arschloch oder Der Alte Sack. Am meisten Spaß hat uns, wie mir seinerzeit schon beim Zeichnen, mein absoluter Lieblingscomic, Der Pinguin, gemacht – auch künstlerisch. Also haben wir beschlossen, den Pinguin in neuer Form an den Anfang der „Classics“ zu stellen. 

Nase vorn. Walter Moers lässt sich seit Jahren nicht mehr fotografieren - dafür zeichnet er sich aber.
Nase vorn. Walter Moers lässt sich seit Jahren nicht mehr fotografieren - dafür zeichnet er sich aber.

© Illustration: MOers

Wieso kommt der Pinguin jetzt in Farbe statt in klassischem Schwarzweiß? Ist dies dem Zeitgeist geschuldet?

Es wurde schon beim ursprünglichen Buch diskutiert, den Comic farbig  zu machen. Wir entschieden uns damals für Schwarzweiß, weil so viel Blut darin vorkommt - was in Schwarzweiß nicht so brutal wirkt. So vorsichtig waren wir. Heute ist es das, was mich an dem Comic stört: In Farbe wäre er viel drastischer und konsequenter gewesen. Und komischer. Blut ist komisch.

Welche Bücher dürfen wir denn noch in der „MoersClassics“-Reihe erwarten?

Im selben Programm wie der Pinguin wird meine Parodie auf das Neue Testament erscheinen: Jesus total. Zu diesem Zweck haben wir die alte Trennung zwischen einem „Weihnachtsbuch“ (Es ist ein …, Maria, d.R.) und einem „Osterbuch“ (Du bist ein …, mein Sohn, d.R.) aufgegeben und die beiden Bände zusammengefasst.

Hat Ihr neu erwachtes Interesse an den Comics auch mit den Umwälzungen auf dem Buchmarkt zu tun? Dem Aufkommen des elektronischen Buchs, des iPads, der Apps und so weiter?

Als vor etwa zehn Jahren mein Interesse an Comics nachgelassen hat, war der Grund, dass ich schon so viele gemacht hatte. Wie lange kann es interessant bleiben, ein Panel oder eine Sprechblase zu füllen? Ich halte Comics nach wie vor für eine der wichtigsten kulturellen Erfindungen der Menschheit - ich habe einen großen Teil meines Lebens mit diesem Medium verbracht, als Konsument und als Produzent. Aber irgendwann wurde es mir bei meiner damaligen Art zu zeichnen, die sehr reduziert war, immer langweiliger. Deswegen habe ich mit den Zamonien-Romanen und zeichnerisch aufwändigeren Illustrationen angefangen. Ich konnte mich da sowohl im Zeichnen wie im Schreiben besser entfalten. In den letzten Jahren fingen dann die Comicbilder an, sich zu bewegen - zumindest auf dem Computerbildschirm. Das hat mein Interesse neu geweckt.

Heißt das, dass Sie jetzt am und mit dem Computer arbeiten?

Schreiben ja. Aber auf zeichnerischem Gebiet überhaupt nicht. Ich könnte nicht mal mit Photoshop ein Bild bearbeiten oder einen Comic kolorieren. Ich habe sogar manchmal Probleme, einen E-Mail-Anhang zu öffnen. Aber ich habe gelegentlich mit Computeranimation und verwandten Bereichen zu tun, da drängte sich das Thema auf. Mit dem Aufkommen des iPads mit der Touchscreen-Technologie wird es jetzt richtig interessant. Ich will ums Verrecken nicht wissen, wie das alles funktioniert und programmiert wird, aber das ist ja auch nicht mein Job. Aber ich bin in diesen Bereichen gerne kreativ tätig. Ich kann die Stoffe liefern, die da gebraucht werden.

Überarbeitet: der Band erscheint jetzt in Farbe statt wie einst in Schwarzweiß.
Überarbeitet: der Band erscheint jetzt in Farbe statt wie einst in Schwarzweiß.

© Knaus

Ist das nicht eine Art von Kreativität, die sich von ihrer unabhängigen Arbeit stark unterscheidet? Der Einzelgänger Moers als Teamarbeiter?

Es gibt jetzt immer mehr Möglichkeiten, Ideen zu verwirklichen, für die man früher große Teams gebraucht hätte. Immer neue Möglichkeiten, die Bereiche Buch und Film,  eben Animation, Sprache, Musik und so weiter, enger miteinander zu verschränken. Was auf lange Sicht viel mehr kreativen Spielraum gibt. Wer hat denn schon die Chance, einen ganzen Film herzustellen? Und das war bisher die einzige Form, über das gedruckte Buch hinauszugehen. Und jetzt gibt es Hybridformen zwischen Buch und Film, die zwar noch nicht so toll sind, weil das alles in den Kinderschuhen steckt. Aber über kurz oder lang werden sich daraus neue Kunstformen entwickeln. So ist auch der Comic entstanden. Irgendwann wird ein einzelner Künstler ganz alleine, ohne Filmförderung oder Hollywood, einen ganzen Film herstellen können. Das ist alles nur eine Frage der Zeit und Technologie. Und ich glaube, es wird erheblich schneller gehen, als wir jetzt annehmen. 

Und wann dürfen wir mit dem ersten App-Buch aus Ihrer Werkstatt rechnen?

Lassen Sie sich überraschen.

Mehr über die MoersClassics-Reihe findet sich auf der Website des Verlages.

Wolfgang Ferchl

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