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Interview: „Ich habe im Atelier getanzt“

„Rembetiko“ ist einer der schönsten Comics des Sommers. Autor David Prudhomme spricht im Interview über die Umsetzung von Musik in Bilder.

Der Rembetiko gilt als der griechische Blues. In den 1920ern von Flüchtlingen aus Kleinasien eingeführt, wurde er einer der populärsten Musikstile Griechenlands. Die damit verbundene Subkultur inspirierte den Franzosen David Prudhomme zu der Comicerzählung „Rembetiko“ (Reprodukt, 104 Seiten, 20 Euro), die vierundzwanzig Stunden im Leben von fünf Musikern in den Armenvierteln von Piräus schildert. Lars von Törne traf den Zeichner zum Interview.

Griechische Kultur ist selten Thema von Comics. Wie kam es, dass Sie einen Comic gemacht haben, in dem die Rembetiko-Musik eine zentrale Rolle spielt?
Ich habe die Musik vor einigen Jahren eher zufällig entdeckt und fand sie anfangs sehr gewöhnungsbedürftig. Aber die Geschichte hinter der Musik hat mich gleich angesprochen. Es gefiel mir, dass die Musik vom Rande der Gesellschaft her kam, von Außenseitern, dann salonfähig wurde, aber sich immer ihren Charakter bewahrt hat. Über die Jahre habe ich dann mehr und mehr Rembetiko gehört, Bücher darüber gelesen, und irgendwann ist in mir die Geschichte dazu gereift.

Welche Rolle spielte das Hören von Musik bei der Arbeit an Ihren Bildern?
Eine große. Und immer wieder habe ich im Atelier getanzt, um die Bewegungen der Figuren nachzuempfinden. Denn ich versuche vor allem, die Musik über die Darstellung von Tänzern und durch den Rhythmus, in dem die einzelnen Panels angeordnet sind, für den Leser spürbar zu machen – auch wenn das eigentlich paradox ist, denn einzelne Bilder sind ja per se statisch und nicht fließend wie Musik.

Waren Sie auch in Griechenland?
Ja, ich habe in Athener Musikbars, in denen diese und ähnliche traditionelle Musik bis heute gepflegt wird, etliche Skizzen gemacht, um die verschiedenen Stile der Rembetiko-Tänze in Bildern vermitteln zu können.

Ihre Tänzer wirken wie Schauspieler, die ihrem Publikum eine Geschichte mit den Mitteln des Tanzes erzählen.
Das ist typisch für den griechischen Tanz. Bei einigen Szenen in meinem Buch geht es zum Beispiel darum, Trunkenheit nachzuspielen. Die Männer taumeln und scheinen zu fallen, fangen sich aber immer wieder. Der Tänzer wirkt betrunken, behält aber seine Würde. In Griechenland tanzen ja oft kräftige, stattliche Männer, die es schaffen, sich trotz ihrer Körperfülle mit ungeheurer Leichtigkeit zu bewegen. Oft drücken die Tänzer die Kämpfe und harten Zeiten aus, die sie erlebt haben, aber auch großen Stolz – gerade bei den Menschen, die die Rembetiko-Musik geprägt haben. Das wollte ich in Bildern einfangen.

Es gibt nur wenige authentische Aufzeichnungen über den Alltag in der Rembetiko- Szene der 20er und 30er Jahre. In Ihrem Buch sprechen die Figuren einen philosophisch angehauchten Straßenjargon. Wie haben Sie sich diese Sprache erarbeitet?
Ich habe versucht, einen ganz eigenen Sprachsound für meine Figuren zu kreieren. Dabei habe ich Elemente eines Gossenslangs genommen und diese mit einem umgangssprachlichen und doch ganz eigenen Ton zu verknüpfen versucht, der das ungeheure Freiheitsbedürfnis der handelnden Menschen reflektiert. Der Rembetiko ist für mich eine Musik der geistigen Freiheit, ein Ausdruck der Selbstbehauptung, aber auch des Kampfes – das habe ich versucht, auch in der Sprache der Figuren zu vermitteln.

Von David Prudhomme, Jahrgang 1969, sind kürzlich zwei Bücher auf Deutsch erschienen: „Rembetiko“ sowie die Erzählung „Die Plastikmadonna“ (Carlsen)

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