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Von Idioten. Die Comic-Romane verkaufen sich unerwartet gut.

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Jugendbuch: Eltern stressen, Lehrer nerven

Krakelige Schrift, witzige Comicbildchen und flapsige Sprüche - ein Junge schreibt Tagebuch und schart eine riesige Fangemeinde um sich: „Gregs Tagebücher“ treffen den Nerv der Zeit.

Viele Eltern atmen erleichtert auf. „Endlich liest mein Kind Bücher - und das sogar gern“. Das ist die Reaktion auf eine überraschend erfolgreiche Buchreihe, von der mittlerweile schon der vierte Teil auf dem deutschen Buchmarkt erschienen ist. Das Phänomen, das hinter dieser unerwarteten Leidenschaft steckt, heißt „Gregs Tagebuch“.

Mit krakeliger Handschrift und kleinen Comic-Illustrationen erzählt ein Zehnjähriger aus seinem Leben: stressende Eltern, doofe ältere Brüder, nervige Lehrer, blöde Klassenkameraden. Der Protagonist und Außenseiter Greg Heffley ärgert sich mit flapsigen Sprüchen und frechen Kommentaren in seinem Tagebuch, das er als „Memoiren“ verstanden wissen will, über genau die Dinge, die Kinder in dem Alter eben so beschäftigen.

Die vier Bücher, die sich alle mit Gregs Mikrokosmos beschäftigen, sind auf den Bestseller-Listen nach oben geschnellt. Weltweit wurde die Serie bereits mehr als 16 Millionen Mal verkauft. In Deutschland sind Band 1 (Januar 2008 erschienen) und Band 4 (März 2010) sowohl auf der Focus- als auch auf der Stern-Bestsellerliste seit Wochen unter den Top 20. Mitte September läuft auch Kinofilm zu den Tagebüchern an. Der Autor Jeff Kinney hat mit seinem mehrteiligen Kinderbuch den Nerv der Zeit getroffen. Und erreicht damit eben nicht nur Leseratten, sondern auch Kinder, die um Bücher mit zu viel Text einen Bogen machen.

„Die Tagebücher haben alles, was ein gutes Kinderbuch braucht“

Denn die insgesamt vier Tagebücher sind nicht nur deshalb außergewöhnlich, weil sie aus der Sicht eines elfjährigen Jungen geschrieben werden, der kein Blatt vor den Mund nimmt. „Gregs Tagebücher“ fallen vor allem deshalb auf, weil sie eine ungewohnt neue Mischung aus Kinderbuch und einem einfachen Schwarz-Weiß-Comic sind - ein Comic-Roman eben und keine Spur von schwer lesbaren Asphaltwüsten.

Teenager-Trauma. Das Buch ist von eigenen Erfahrungen inspiriert, sagt Autor Jeff Kinney.
Teenager-Trauma. Das Buch ist von eigenen Erfahrungen inspiriert, sagt Autor Jeff Kinney.

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„Diese Form ist schon etwas besonderes. Gerade bei den Zehn- bis Zwölfjährigen sind Bildergeschichten sehr beliebt. Der Autor kombiniert sie mit leicht lesbarem Text - das ist sehr raffiniert“, sagt Literaturwissenschaftlerin Regina Pantos. Die Vorsitzende des Arbeitskreises für Jugendliteratur beschäftigt sich seit 35 Jahren mit Kinder- und Jugendbüchern und auch ihr haben es die Tagebücher angetan.

„Die Tagebücher haben alles, was ein gutes Kinderbuch braucht: Sie bieten Abenteuer, beschreiben Beziehungen und sie sind komisch“, sagt die 64-Jährige. Die jungen Leser können sich mit dem egoistischen Antihelden identifizieren und finden seine Streiche lustig. „Er schildert lapidar seine Erlebnisse, redet nicht um den heißen Brei, er reflektiert nicht. Der sucht einfach nach Lösungen und handelt. Das mögen Kinder“, erklärt die Erzieherin.

Das Zeug zum Klassiker für kommende Generationen

Besonders charmant sei dabei, dass auch die Erwachsenenwelt konsequent durch die Brille eines Zehnjährigen gesehen wird. Damit halte Greg den Eltern und Lehrern ein bisschen den Spiegel vor. „Das ist auch für Erwachsene ein köstliches Buch“, sagt Pantos.

Ausgedacht hat sich die Geschichten rund um den liebenswerten Verlierertypen der Onlinespiele-Entwickler Jeff Kinney. 1998 begann der Vater zweier Kinder mit den Arbeiten an „Gregs Tagebuch“. Vorbild für seinen Greg war er selbst. Kinney behauptet, als Kind auch ein Außenseiter gewesen zu sein. Ein Großteil dieser Geschichten ist nun in die Buchreihe geflossen. Und die werden erzählt, ohne den pädagogischen Zeigefinger zu erheben.

In einer Zeit, in der Fantasy-Geschichten den Kinder- und Jugendbuchmarkt dominieren, komme mit „Gregs Tagebüchern“ eine herzerfrischend realistische Erzählung in die Kinderzimmer. „Dieses Buch kann meiner Meinung nach ein Klassiker werden, den auch die Kinder der nächsten Generationen noch gern lesen werden“, ist die Kinderbuch-Expertin überzeugt. Den Autoren wird's freuen, er arbeitet derzeit an Band 5. (dpa)

Interaktive Internetseite zu den Büchern: www.gregstagebuch.de.

Die Buchreihe von Jeff Kinney ist im Baumhaus-Verlag erschienen, bislang vier Bände mit je rund 220 Seiten, je 12,90 Euro.

Christiane Gläser

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