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© Illustration: Manara/Panini

Klassiker: Jahreszeit der Gewalt

Große Erzählkunst, irritierende Bilder: Lange war die Graphic Novel „Ein indianischer Sommer“ von Hugo Pratt und Milo Manara vergriffen, jetzt wurde sie neu aufgelegt.

Er dauert zehn Seiten bis die ersten Worte gesprochen, aber nur halb so viele bis ein Leben zerstört und zwei weitere ausgelöscht sind. Am Himmel hängen still die Möwen, am Strand steht eine vergewaltigte Frau, im Wasser treiben zwei Tote Indianer. Mit dieser Szene beginnt „Ein indianischer Sommer“, eine im Amerika des 17. Jahrhunderts angesiedelte Erzählung, die der Schöpfer der „Corto Maltese“-Reihe, Hugo Pratt, für den mit seinen erotischen Zeichnungen weltberühmt gewordenen Zeichner Milo Manara geschrieben hat.

Aus der klassischen Abenteuergeschichte mit Indianerüberfällen und Schießereien jedoch schält sich Seite für Seite ein Familienportrait voll von Gewalt, Inzest und Missbrauch. Manara hat es in blassen Farben und mit klaren Strichen gemalt. Selbst das größte Schlachtengetümmel wirkt hier durchdacht und -choreographiert. Das verleiht den Bildern eine gewisse Künstlichkeit, sorgt jedoch auch für eine ganz eigene und faszinierende Bildsprache. Der Gesamteindruck des Mitte der 1980er Jahre erstmals veröffentlichten und jetzt neu aufgelegten Werkes ist trotzdem ein zwiespältiger: Denn so groß Pratts Erzählkunst, so zeitlos die vage auf historischen Begebenheiten fußende Geschichte, so fraglos präzise die Bilder, so irritierend ist auch der frivole Ton,

mit dem Manara immer wieder sexuelle Gewalt in Szene setzt. Die Grenze zwischen Leid und Lust ist hier gelegentlich doch etwas arg durchlässig.

Milo Manara und Hugo Pratt, „Ein indianischer Sommer“, Panini Comics, 164 Seiten, 24,95 Euro.

Fans von Milo Manara können den Zeichner im Juni im Comicsalon Erlangen treffen. Mehr Informationen gibt es demnächst unter: www.comic-salon.de.

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