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Im Licht der Morgensonne geboren: Eine Seite aus dem Buch.

© Promo

Manga: Liebeserklärung an das Leben

Osamu Tezuka gilt als Urvater des japanischen Comics. Jetzt erscheint sein humanistisches Epos „Buddha“ erstmals auf Deutsch – mit 40 Jahren Verspätung. Und in Kürze kommt die Kinoverfilmung nach Europa.

Auf den ersten Blick scheint die deutsche Ausgabe von „Buddha“ wenig mit einem klassischen Manga zu tun zu haben. Der Schriftzug „Graphic Novel“ prangt auf dem Hardcover-Titel. Die ersten Seiten lassen fast vergessen, dass es sich bei dem Werk um einen Klassiker der japanischen Manga-Kunst handelt: Bunte Farben, westliche Leseweise von links nach rechts, monumentale Landschaftsbilder auf dickem, glänzendem Papier. Ob diese Ausgabe dem Künstler selbst gefallen hätte, lässt sich nicht mehr herausfinden. Tezuka erlag 1989 im Alter von 60 Jahren einem Krebsleiden. Schon im Jahr 2003 erschien „Buddha“ als Graphic Novel auf dem amerikanischen Markt, gewann 2004 und 2005 dort sogar den renommierten Eisner Award für die beste Adaption eines internationalen Werks. Die „Buddha“-Reihe des japanischen Walt Disney, wie Tezuka gelegentlich genannt wird, erzählt die Geschichte des Religionsstifters Siddhartha – dem Begründer des Buddhismus.

„Kapilavastu“ lautet der Titel des ersten Bandes der Reihe, benannt ist er nach dem Ort, an dem Siddhartha geboren sein soll. Der Comic nimmt den Leser mit in eine brutale religiöse Ständegesellschaft vor Begründung des heutigen Buddhismus. Tezuka zeigt eine Welt, in der die oberste Kaste der Brahmanen, also der Priester, gnadenlos über die unteren herrscht. „In dem Maße, wie die Brahmanen zunehmend der Eitelkeit und dem Überfluss anheimfielen, verkamen ihre religiösen Zeremonien und Orakel zu leeren Formeln“, textet der Autor und lässt seine Figuren in einer Gesellschaft auftreten, die auf der Suche nach Gerechtigkeit und einem wahren, helfenden Gott ist. Zu wem sollen wir beten? Warum können wir nicht endlich frei sein? Diese beiden Fragen müssen sich die Hautfiguren stellen, bevor mitten in den Wirren drohender Kriege und Hungersnöte schließlich im Licht der Morgensonne der erste Buddha – Siddhartha – geboren wird.

150.000 Comic-Seiten, Dutzende Animes

Wie bei vielen Mangas ist der Haupt-Plot um das Leben Siddharthas in eine Geschichte von Unterdrückung und Befreiung, Selbstbestimmung und Erlösung eingebettet. Ein junger Mönch wird von seinem Meister auf die Suche nach einer Art indischem Messias, einem Wundertäter, geschickt. Er findet ihn im Bettler Tatta, der auf zauberhafte Weise die Gestalt von Tieren annehmen kann. Genau wie Tatta gehört auch der Sklavenjunge Chapra zur untersten Schicht der indischen Gesellschaft. Ihr Schicksal bringt sie zusammen und so hilft Tatta Chapra dabei, seine Mutter aus der Hand ihres gewalttätigen Herren zu befreien – begleitet vom Mönch, der dem lange gesuchten Auserwählten Tatta nicht mehr von der Seite weicht.

Wie sich die Wege Siddharthas und Chapras kreuzen, werden erst die nächsten Bände verraten.  Auch, ob der Religionsstifter Siddhartha Indien in die Freiheit führen wird und welche Rolle der Wundertäter Tatta dabei spielen soll, erfährt der Leser an dieser Stelle noch nicht. Am 31. Juli soll der zweite Teil der Mangareihe folgen. Soviel sei schon einmal verraten: In den weiteren Bänden sieht der Leser Siddhartha als Prinz aufwachsen, erlebt mit, wie er sich gegen die Langeweile seines adeligen Lebens aufbäumt und sein zu Hause verlässt, um Mönch zu werden und schließlich Erleuchtung zu erfahren.

Religionskritik: Eine der farbigen Seiten am Anfang des ersten Bandes.
Religionskritik: Eine der farbigen Seiten am Anfang des ersten Bandes.

© Carlsen

Autor Tezuka selbst ist kein Buddhist sondern erklärter Humanist gewesen. Buddha ist nicht die einzige Arbeit, mit der er sich Zeit seines Lebens historischen Figuren widmete. In der fünfteiligen Serie „Adolf“ vermischt der Japaner in ähnlicher Weise Historie und Fiktion im Berlin der Nazizeit. Tezuka ist auch der Schöpfer von „Astro Boy“, der ersten mehrteiligen japanischen Anime-Serie. 2009 schaffte es seine Heldengeschichte als computeranimierte Verfilmung weltweit in die Kinos. Und das, obwohl Tezuka es als junger Mann keinesfalls darauf angelegt hatte, mit dem Zeichnen berühmt zu werden. Zunächst arbeitete er als Arzt, gab die Profession aber nach einigen Jahren zu Gunsten der Kunst auf – nicht aber, ohne auch diese Erfahrungen in einem Manga zu verarbeiten. In „Black Jack“ schildert er die Wirren des Krankenhausalltags. Insgesamt veröffentlichte Tezuka in seinem Leben 150.000 Comic-Seiten. Seine Animes könnten dutzende Abende füllen. Die bloße Masse seiner Arbeiten und die nicht immer ganz einfachen Themen sind Gründe dafür, dass sein Werk nur scheibchenweise nach Europa gelangt. Fest steht: Von diesem Autor wird man auch auf dem deutschsprachigen Markt noch einiges zu sehen bekommen. 

Liebe alle Kreaturen dieser Welt“

„Was ich durch meine Arbeit auszudrücken versuche, ist sehr einfach: Liebe alle Kreaturen dieser Welt! Liebe alles, was lebendig ist“, zitiert ihn der Carlsen-Verlag. Die Liebe zu allem Lebenden merkt man auch seinem „Buddha“ an, erinnert das Werk doch zu Teilen an wesentlich später produzierte Animes und Öko-Parabeln wie „Nausicaä“ oder „Arjuna“. Sie erzählen von der Zerstörung der Umwelt durch den Menschen und der notwendigen Einheit von Natur und Gesellschaft. Schon Tezuka macht das zum Thema, etwa wenn Tatta an einer Stelle des Mangas fast einen grausamen Tod stirbt, weil er es vorzieht, sich von einer Schlange fressen zu lassen, anstatt sie einfach umzubringen. In einer anderen Szene füttert er lieber die Tiere des Waldes, statt sich selbst und seine Mitstreiter zunächst mit Nahrung zu versorgen. Ebenso eilt die Fauna ihm zu Hilfe, etwa, als er vor einem Erschießungskommando landet und ihn nur ein Heuschreckenschwarm vor dem tödlichen Pfeil bewahrt, oder wenn er sich ein ums andere Mal in die Gestalt eines Pferdes oder Tigers verwandelt.

Religionsstifter: Das Cover des ersten Bandes.
Religionsstifter: Das Cover des ersten Bandes.

© Carlsen

Mit „Buddha“ schaffte es der in Japan auch „Gott des Manga“ genannte Tezuka 22 Jahre nach seinem Tod übrigens auch noch ins Kino. Im Mai des vergangenen Jahres lief „Buddha“, produziert vom Filmriesen Warner Brothers, auf der großen Leinwand in Japan an. Noch in diesem Jahr soll der Film auch in Europa zu sehen sein, heißt es bei Carlsen. So oder so lohnt die Lektüre der gedruckten Version allemal. Schön, dass dieser Klassiker nun auch für ein deutsches Publikum zugänglich ist.

Osamu Tezuka: Buddha, Band 1, Hardcover, 310 Seiten, Carlsen, 22,90 Euro

Anna Wirth

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