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Junge? Mädchen? Cover des achten Bandes der Reihe.

© Carlsen Manga

Manga: Von der Rolle

Die Mangareihe „After School Nightmare“ spielt mit Geschlechteridentitäten und jugendlichen Alpträumen. In Kürze erscheint der Abschlussband der packenden Mystery-Serie.

Eine sehr ungewöhnliche, abstrakte Story erwartet einen, wenn man „After School Nightmare“ in die Hände nimmt. Nicht einmal der Klappentext kann einem nahe bringen, was in diesem Manga wirklich vor sich geht. Was sich erst nach einer simplen High-School-Story anhört, ist in Wirklichkeit ein komplexes, surreales Werk, bei dem man sich von Band zu Band hangelt, in der Hoffnung, eine Erklärung zu finden. Und ehe man sich versieht, ist man schon gefangen und fiebert jedem neuen Band entgegen.

Der Manga handelt von Mashiro Ichijo, der ein normaler High-School-Schüler zu sein scheint. Er ist fleißig, beliebt bei den Mädchen und tanzt nicht aus der Reihe. Doch Mashiro hat ein Geheimnis. Er ist in Wirklichkeit ein Hermaphrodit – halb Junge, halb Mädchen. Von der Taille aufwärts männlich, der Unterkörper weiblich. Niemand darf das wissen, erst recht nicht sein Kendo-Rivale Sou Mizuhashi. So versucht Mashiro Tag für Tag, ein vorbildlicher, typischer Junge zu sein und nicht mal daran zu denken, eine weibliche Seite haben zu können.

In der Traumwelt nimmt jeder eine andere Gestalt an

Eines Tages wird er von einer Lehrerin zu einem besonderen Unterricht eingeladen. Die Schüler werden in einen Schlaf versetzt und suchen in einer Traumwelt nach einem Schlüssel zu einem großen Tor. Wenn jemand diesen Schlüssel findet und das Tor durchschreitet, „absolviert“ er die Schule und wird komplett aus der Erinnerung der Verbliebenen gelöscht. Und in dieser Traumwelt nimmt jeder Teilnehmer eine andere Gestalt an, oft völlig unerkennbar, oft sogar entstellt.

Nur Mashiro selbst scheint seine eigene Gestalt behalten zu dürfen, nur mit einer Mädchenuniform. Gleich am ersten Tag wird Mashiro vor versammelter Mannschaft bloßgestellt. Jeder aus dem Traumunterricht weiß nun, dass Mashiro einen weiblichen Unterkörper hat. Nur Mashiro weiß nicht, wer all diese Personen waren. Kannte er sie? Gehen sie in seine Klasse? Trifft er sie jeden Tag auf dem Flur?

Vorsichtige Annäherung. Cover des neunten Bandes.
Vorsichtige Annäherung. Cover des neunten Bandes.

© Carlsen Manga

Und dann ist ausgerechnet Sou der erste, der Mashiro darauf anspricht. War Sou dabei? War er sogar die Rüstung, die Mashiro entblößt hat? Fortan drehen sich Mashiros Gedanken nur noch um Sou und die Rüstung. Erst Recht, als Sou ihm seine Liebe erklärt, in der festen Überzeugung, Mashiro wäre ein Mädchen. Und Mashiro beginnt zum ersten Mal sich mit seiner weiblichen Seite auseinander zu setzen und beginnt die Suche nach seinem wahren Ich.

Was macht einen Mann zum Mann?

„After School Nightmare“ ist spannend geschrieben. Man kann mit den Figuren gut mitleiden, nicht nur mit Mashiro, sondern auch mit allen anderen. Jeder aus dem Traumunterricht scheint eine Last auf seinem Herzen zu haben. Nach und nach wird ihre reale Gestalt offenbart. Nur die Rüstung und Sous Rolle bleiben bis zum Schluss im Dunkeln. Daneben wird auch noch das Thema der Geschlechterrollen behandelt. Was macht einen Mann zum Mann? Ist eine Frau wirklich schwach?

Die Autorin setzt sich mit diesen Fragen sehr sensibel und ausführlich auseinander, ohne wirklich belehrend zu sein und ohne eine Position einzunehmen. Der Manga regt zum Nachdenken an und fesselt einen bis zum Schluss. Und man weiß nie, was wirklich passiert und was für eine Welt das ist, die hier präsentiert wird, in der Schüler einfach nach ihrem Abschluss vergessen werden. Eine absolute Empfehlung für alle Fans von Mystery und komplexen Geschichten.

Setona Mizushiro: After School Nightmare, abgeschlossen in zehn Bänden à 192 Seiten, je 5,95 Euro, Carlsen Manga. Der Abschlussband erscheint am 27. August. Mehr unter diesem Link.

Unsere Gastautorin, die Mangazeichnerin Natalie Wormsbecher, lebt in Berlin. Von ihr sind unter anderem die Mangas Life Tree's Guardian (auf fünf Bände angelegt), Summer Rain und Dämonenjunge Lain im Tokyopop-Verlag erschienen. Zu Natalie Wormsbechers Website geht es hier. Weitere Tagesspiegel-Mangarezensionen von ihr gibt es unter diesem Link.

Natalie Wormsbecher

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