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Auf der Suche nach einem Platz im Universum: Eine Szene aus "Space Cadet".

© Promo

Multimedia-Comic: Roboterliebe

Unter dem Pseudonym Kid Koala firmiert der Kanadier Eric San als Turntablism-Künstler, der seinen Platten gerne kleine Comics beilegt. Mittlerweile hat der Musiker auch zwei eigenständige Comic-Veröffentlichungen vorzuweisen, die einen eigenwilligen Charme entfalten.

„Nufonia must fall“, Kid Koalas 2003 erschienenes Debüt als Comicautor und -zeichner, handelt von einem musikbesessenen Roboter, der sich als kleiner Angestellter in einem Imbiss-Lokal verdingt. Er führt ein typisches 9-to-5-Leben, das zwar arm an Höhepunkten ist, ihn aber dennoch ausfüllt. Schließlich nennt er eine gigantische Plattensammlung sein Eigen. Eines Tages wird er jedoch von der Zeit eingeholt: Sein Boss stellt ihm einen neuen Kollegen an die Seite, einen Roboter der neuesten Generation. Mit sechs Armen und einigen zusätzlichen Augenpaaren ist dieser ein wesentlich effizienterer Arbeiter, weswegen der blecherne Held seine Anstellung verliert. Er ist obsolet geworden wie ein Drucksetzer. Oder ein Commodore C64.

Auf der Suche nach einer neuen Existenzgrundlage gerät er an eine junge Dame, die sich in einem Robotik-Unternehmen für ihre Arbeit aufzehrt. Sie gefällt ihm sofort, und das Leben scheint ihm wohl gesonnen, denn der Zufall rückt die beiden näher zusammen – so nahe, bis das ungleiche Paar eine Romanze verbindet. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse...

Niedlicher Look, tragische Story

Sicher, Kid Koalas minimalistischer Strich mutet in Anbetracht aktueller Comic-Veröffentlichungen eher infantil als virtuos an. Dennoch bergen seine einfachen, mit brüchigen Linien inszenierten Strichmännchen enorme Ausdrucksstärke. Sein metallischer Protagonist steht in Sachen emotionaler Bandbreite einem „Nummer 5“, dem niedlichen Helden jenes 80er-Jahre-Streifens, in nichts nach. Im Gegensatz zu dem Science-Fiction-Familienfilm ist „Nufonia must fall“ allerdings nicht auf Klamauk ausgerichtet. Der Comic schlägt eher tragische Töne an, obwohl die grafische Aufmachung und seine unverkennbar märchenhaften Züge zunächst auf eine kindgerechte Lektüre schließen lassen. Es irrt also, wer da meint, in der in Grautönen gehaltenen Roboter-Lovestory einen Lesestoff für seinen minderjährigen Nachwuchs gefunden zu haben.

Mit Soundtrack: Das Cover von "Space Cadet".
Mit Soundtrack: Das Cover von "Space Cadet".

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Ähnliche Wege wie sein Debüt beschreitet „Space Cadet“, Kid Koalas jüngste Comic-Veröffentlichung. Auch hier liegt ein schwermütiger Schleier über dem Sujet, dessen Protagonist ebenfalls ein Roboter ist – ein Haushalts-Android, der sich rührend um ein Mädchen kümmert; das erste Viertel des Bandes belegt dies. Als sich seine Schutzbefohlene als junge Erwachsene jedoch aufmacht, um die Flora ferner Planeten zu erforschen, ist der artifizielle Held des Zwecks seines programmierten Daseins beraubt. Während sie also ihren Weg geht, gibt es für ihn keinen mehr, den er einschlagen könnte. Oder etwa doch?

Erzählung ohne Worte

Für die Inszenierung von „Space Cadet“ hat sich Kid Koala für die Schabkarton-Technik entschieden. Dies erweist sich als gute Idee, da die angewandte Methode sowohl für den lakonisch vorgetragenen Inhalt als auch für die Schwärze des Alls, die dem Comic eine Kulisse stellt, geradesteht. Zwar verfügt der Kanadier hier ebenfalls nicht über eine Fertigkeit, die z.B. mit der eines Thomas Ott mithalten kann. Seine einfach gehaltenen Bilder bergen dafür jedoch erneut ein breites Gefühlsspektrum und spielen dem Eindruck des Märchenhaften gut in die Hände.

Beide Bände erzählen von scheinbar unvereinbaren Beziehungen, von der Notwendigkeit, Loslassen zu können sowie von der individuellen Aufgabe, einen Platz im Universum zu finden. Sie sind ambitionierte Werke, die zwar nicht unbedingt aus der gegenwärtigen Veröffentlichungs-Flut herausstechen, aber definitiv einen eigenwilligen Charme entfalten. Ihr Alleinstellungsmerkmal liegt dabei außerhalb des eigentlichen Mediums: Kid Koala hat den beiden Comics einen atmosphärischen, zurückhaltend produzierten Soundtrack auf CD beigelegt, der die Lektüre gut unterstützt. Von dem Umstand, dass diese multimedialen Arbeiten des Kanadiers bisher bei keinem deutschsprachigen Verlag veröffentlicht wurden, braucht man sich nicht abschrecken zu lassen, denn trotz (oder wegen) ihrer Expressivität kommen die Comics inklusive der beigelegten Soundtracks ohne Worte aus.

Kid Koala: Nufonia must fall, ECW Press, 2003, 352 Seiten, ca. 20 Euro.
Kid Koala: Space Cadet, Ninja Tune, 2011, 132 Seiten, ca. 24 Euro.

Terminhinweis: Im Februar absolviert Kid Koala im Rahmen seiner Europatournee auch einige Auftritte in Deutschland. Die Termine finden sich auf seiner Website.

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